(“A Film With Me In It” directed by Ian Fitzgibbon, 2008)
Ab dem Midpoint gibt es kein Zurück mehr, predigt Robert McKee in seinem STORY-Seminar. Angehende Drehbuchautoren lernen, die Mitte des zweiten Aktes mit einem dramatischen Ereignis für ihren Protagonisten auszuschmücken. Der Held ist am persönlichen Tiefpunkt angelangt und merkt, dass er seine Taktik ändern, beziehungsweise (in diesem Falle) überhaupt reagieren muss. Mark Doherty – Drehbuchautor und Hauptdarsteller von Ian Fitzgibbons A Film With Me In It – hat seine Hausaufgaben gemacht. Exakt die Mitte des Films ist erreicht, als seine Figur Mark zum Lexikon greift und das Wort „Unfall“ nachschlägt: Ein unbeabsichtigter Vorfall, bei dem Sachen oder Menschen zu Schaden kommen. Oder Tiere. Die zweite Hälfte der haarsträubenden Geschichte verbringt Mark mit dem Versuch, die unglaubwürdige Reihe von Unfällen, die sich bis dahin ereignet hat, wie eine glaubwürdige Reihe von Unfällen aussehen zu lassen – und er scheitert grandios.
In seinen Gesprächen mit François Truffaut sprach Alfred Hitchcock gern über „ihre Freunde, die Wahrscheinlichkeitskrämer“ und meinte damit jene Kritiker, die seine Thriller nach logischen Aspekten aufdröselten. Eben diese Kritiker würden A Film With Me In It bei aller Selbstironie in der Luft zerreißen, denn hier spielt der (dumme) Zufall eine bemerkenswert große Rolle. Doch dahinter steckt keine Einfallslosigkeit, sondern der Clou der Films. Man erinnere sich an einen Sketch aus Monty Python’s Flying Circus: Da wird ein Mann gebeten, in einem Zimmer kurz auf den Gastgeber zu warten und binnen weniger Minuten ist die Einrichtung zerstört und ein Zimmermädchen tot – ohne, dass besagter Mann einen Finger gerührt hat. Dessen Hilflosigkeit gegenüber der Situation, darin liegen der Witz der Szene und die Schwierigkeit, diese Idee auf Spielfilmlänge abzufeiern. Denn über anderthalb Stunden bietet eine derart unbeteiligte Hauptfigur (so überzeugend der Schauspieler Doherty den lethargischen Mark auch zum Besten gibt) nicht genügend Antrieb, um das Publikum bei Laune zu halten. Dessen war sich der Autor Doherty allerdings bewusst: Ein aktiver Gegenspieler muss her.
Auftritt Pierce. Dem Stereotyp eines erfolglosen Drehbuchautors – versoffen, vercheckt und natürlich voller Ideen – wird von Darsteller Dylan Moran, der sein Loser-Potential bereits in Shaun of the Dead unter Beweis stellte, eine markante Note hinzugefügt. Als Nachbar und späterer Komplize von Mark entwickelt er sich zusehends zum Katalysator für die Geschichte, der allzu oft die Luft auszugehen droht (gerade gen Ende wird die Logik mit Einverständnis des Zuschauers – der sich am kongenialen Spiel des Darstellerduos ergötzt – komplett über Bord geworfen). Leider hat die deutsche Synchronisation Dylan Moran seines nervösen Stotterns über weite Strecken beraubt, dennoch sorgen seine Sprüche und Einfälle als Katastrophenmanager für die meisten Lacher in dieser schwarzhumorigen Komödie.
Obwohl sich die düstere Atmosphäre schon aus dem Zusammenspiel der beiden Frontmänner in ihrer unglücklichen Situation ergibt, wird sie auditiv (von einem zuweilen aufdringlichen Score) und visuell von Kameramann Seamus Deasy wenig subtil unterstrichen: Er hat dem Film mit seinen kontrastreichen, in schwarz versinkenden Bildern und einer Kamera deren Schräglage sich nach den schrägen Wendungen richtet, einen eigensinnigen Look verpasst. Doch nichtsdestotrotz oder gerade deshalb: Auch wenn man dem kammerspielartigen Debütfilm des irischen TV-Regisseurs Ian Fitzgibbon sein geringes Budget ansieht, ist er diesen Blick für Freunde des derben Humors auf jeden Fall wert.
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