(„Benda Bilili!“ directed by Renaud Barret and Florent de La Tullaye, 2010)
Als sei ihnen der Optimismus in die Wiege gelegt worden, direkt neben ihre Krankheit, so wirken die Mitglieder des lauten, auffälligen Musiker-Kollektivs, das sich im verwilderten Zoo Kinshasas zwischen Affen- und Papageien-Käfigen zur Probe versammelt. Die Hälfte von ihnen sitzt im Rollstuhl, die andere Hälfte sollte eigentlich in der Schule sein. Doch da lernt man schließlich auch nicht, wie man seine Familie ernährt. Kein Bandberater, keine Casting-Show hätte diese skurrile Truppe aus dem Nichts erfinden können. War auch gar nicht nötig, denn es gab sie längst.
Es bedurfte bloß offener Augen und Ohren – vorzugsweise derer, die ein Faible für die Schönen Künste haben – um selbst im Betondschungel der kongolesischen Hauptstadt nicht das Gespür für das vermeintlich Unscheinbare zu verlieren: Bettler und Straßenkinder, die erst auf den zweiten Blick beeindruckende Künstler sind. Lebenskünstler, vor allem das, aber nicht minder musikalische Talente von mitreißendem Charisma. Die französischen Filmemacher Renaud Barret und Florent de La Tullaye haben diese Straßenmusikanten 2004 entdeckt. Im Regierungsviertel La Gombe, bei einer ihrer Proben, oder besser: kostenlosen Open-Air-Impro-Konzerten.
Aus dem anfänglichen Vorhaben, einige Beiträge über das lose Gespann zu drehen, wuchs ein beachtliches Projekt, das im Nachhinein in zwei Punkten Kritik zulässt: Erstens verlassen Regisseure, die ihr Budget für einen Musik-Produzenten aufwenden, der besagtes Gespann zu einer Band mit Studioalbum und Europa-Tournee aufpoliert, eindeutig ihre dokumentarischen Pfade. Während Stephen Walker den amerikanischen Senioren-Chor „Young@Heart“ über einige Zeit begleitete und (von im Zuge des Films inszenierten Musikvideos abgesehen) beobachtete, freundeten sich Barret und de La Tullaye mit dem afrikanischen Straßenmusiker-Kollektiv „Staff Benda Bilili“ an und ebneten ihnen über Jahre hinweg aktiv den Weg vom Bordstein auf die Bühne.
Hier setzt der zweite Punkt an: Das Regie-Duo erzählt eine Erfolgsgeschichte, wie sie kein Drehbuchautor besser hätte schreiben können. Der klassische American Dream berücksichtigt in seiner strengen Dramaturgie die Exposition, als Plot-Points funktionierende Rückschläge und mit den Konzerten vor jubelnden Menschenmengen einen kinoreifen Höhepunkt. Dass der vermeintliche Dokumentarfilm also nur der Mitschnitt einer großartigen Geschichte ist, die immerhin das Leben und kein Autor geschrieben hat, sollte das Publikum indes nicht stören. Einzig der inszenatorische Fehltritt, gegen Ende mit einer einzigen Rückblende unnötige Rührseligkeit heraufzubeschwören, lässt einen minimalen, faden Nachgeschmack zurück. Ansonsten ist die dargebotene Musik derart erfrischend und leidenschaftlich, dass man sich wünscht, der 85-minütige Streifen sei noch eine halbe Stunde länger. Die Lebensfreude der von Armut und Polio gezeichneten Protagonisten ist jedoch das eigentliche Aushängeschild von Benda Bilili! – einem Film, der die Ohren begeistert und die Augen öffnet.
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