(„Das Leben ist nichts für Feiglinge“ directed by André Erkau, 2012)
„Manchmal möchte ich schreien, weißt du. So laut, dass meine eigenen Trommelfelle platzen. Und dann ist Ruhe. Und Frieden.“
Krass ausgedrückt, sicher. Aber trotzdem gut nachzuvollziehen, denn Markus (Wotan Wilke Möhring) befindet sich auch in einer krassen Situation: Seine Frau kam bei einem Umfall ums Leben. Und das ist nicht das einzige Problem, das der Leiter eines Catering-Services derzeit hat. Seine Tochter Kim (Helen Woigk) zieht sich nach dem Tod immer mehr zurück, von ihm aber auch von ihren Mitschülern, trägt Schwarz, hört nur noch düstere Musik und verliebt sich in den Schulabbrecher Alex (Frederick Lau). Markus’ Mutter Gerlinde (Christine Schorn) wiederum versucht die Familie zusammenzuhalten und ein normales Leben zu etablieren. Was die beiden anderen jedoch nicht ahnen: Gerlinde hat Krebs. Darmkrebs. Endstadium. Was natürlich keiner wissen darf und so gibt sie vor, im Urlaub zu sein, während sie in Wahrheit ihre Chemotherapie beginnt.
Tragikomödien haben sich in den letzten Jahren als eine Art Vorzeiggenre in Deutschland entwickelt. Doch selten prallten das Komische und das Tragische derart unvermittelt und zugleich reizvoll aufeinander wie in Das Leben ist nichts für Feiglinge. Tod, Krebs, Einsamkeit lassen eigentlich nur wenig Raum für Humor, sollte man meinen. Wirkliche Kalauer findet man hier auch tatsächlich nicht, dafür aber Absurditäten en masse. Das fängt schon mit dem Tod von Markus’ Frau an: Sie starb nicht etwa in einem Autounfall oder einen tragischen Sturz. Sie verfing sich beim Dekorieren im Kindergarten an einer Girlande und erhängte sich damit.
Dieser Tod, der sicher ein heißer Anwärter für den Darwin Award gewesen wäre, bildet aber nur den Auftakt für eine Reihe grotesker Einfälle. Da wäre zum Beispiel auch Gerlindes Pflegerin Paula (Rosalie Thomass), die eigentlich lieber Schauspielerin wäre, ständig Leute am Telefon hereinlegt und Gerlinde dazu überredet, doch mit ihrem Krebs zu sprechen und so zu vertreiben. Haschkekse kommen genauso in den rund 100 Minuten vor wie zwei Obdachlose und eine unfreiwillige Spanneraktion. Doch genau dann, wenn man meint, endlich in der Komödie angekommen zu sein, in Sicherheit zu sein, wartet schon der nächste Tiefschlag:
„Meine Frau ist tot, um Himmels willen! Tot! Natürlich bin ich da am Arsch, wo soll ich denn sonst sein?!“
Ob es die vielen skurrilen und unglaubwürdigen Einfälle, die wunderlichen Leute und auch den Doppelschicksalsschlag gebraucht hätte, um das Thema zu verdeutlichen, sei einmal dahingestellt. Auf jeden Fall schafft es der Film dadurch, auch das Absurde beim Umgang mit dem Tod, die Unbeholfenheit, die Hilflosigkeit und die Flucht in Floskeln und harmlose Allgemeinplätze zu zeigen. In einer der schönsten Stellen versucht Markus vergeblich, ein Flugticket seiner verstorbenen Frau zu stornieren. Was aber an der hartnäckigen Angestellten scheitert, die darauf besteht, dass eine Rückgabe nicht vorgesehen sei. So wie eben auch der Tod nie vorgesehen ist. An solchen Stellen wird Das Leben ist nichts für Feiglinge dann fast schon zur Satire.
Zwischendurch gibt es aber auch immer wieder ruhige, einfühlsame Momente, in denen die Schauspieler zeigen können, was in ihnen steckt. Und zum Glück ist das eine Menge, denn die Gefahr, sich in den überzogenen komischen Szenen lächerlich zu machen, oder während der traurigen im Kitsch zu versinken, war groß. Doch beides konnte verhindert werden. Und so schafft Regisseur André Erkau mit seinem Film das Kunststück, gleichzeitig maßlos überzogen aber auch näher am Leben und an dem Thema Trauerbewältigung dran zu sein, als es sich die meisten trauen würden. Und so ist dann nicht nur das Leben nichts für Feiglinge, der Film ist es auch.
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