(„Das Wochenende“ directed by Nina Grosse, 2012)
Europa in den 1960ern: Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges sind lange vorbei, die Wirtschaft brummt, allen geht es gut. Vielleicht etwas zu gut. Studentenbewegungen formieren sich allerorts und aus den unterschiedlichsten Gründen. Manche protestieren gegen den Fokus aufs Materielle und die Unterdrückung von Menschen aus wirtschaftlichen Gründen, willkürliche Staatsgewalt. Andere fordern mehr Rechte, gerade für Minderheiten. Speziell in Deutschland kam hinzu, dass viele Profiteure aus der Nazizeit unbehelligt weiterhin Spitzenpositionen in Politik und Unternehmen einnehmen konnten, was ebenfalls unter den Jungen für Empörung sorgte. Einem Teil dieser Bewegung gingen Demonstrationen jedoch nicht weit genug und er gründete eine radikalere und militante Vereinigung, die als „Rote Armee Fraktion“ über viele Jahre immer wieder Anschläge ausübte.
Von dem Schreckgespenst der RAF ist heute, 36 Jahre nach dem „Deutschen Herbst“, kaum mehr etwas zu spüren. Wenn es noch Nachwirkungen der einstigen Terrororganisation gibt, dann eher im Kleinen und Privaten. Von eben solchen Nachwirkungen erzählt Das Wochenende, der auf dem gleichnamigen Roman von Bernhard Schlink basiert, diesen aber stark modifiziert – weg von theoretischen Auseinandersetzungen, hin zu persönlichen Schicksalen. Im Mittelpunkt steht aber auch hier Jens Kessler (Sebastian Koch). 18 Jahre hatte das ehemalige RAF-Mitglied im Gefängnis gesessen, bis Jens eines Tages recht unerwartet entlassen wird.
Seine Schwester Tina (Barbara Auer) nimmt ihn bei sich auf, ist aber etwas überfordert mit der Situation. Und so lädt sie zwei alte Weggefährten ein: Henner (Sylvester Groth) und Inga (Katja Riemann). Doch die Gemeinsamkeiten sind schon vor vielen Jahren abhanden gegangen. Henner hat Karriere als Schriftsteller gemacht und mit einem Buch über die RAF mit seiner Vergangenheit abgeschlossen. Inga wiederum ist glücklich mit dem Feinkostspezialisten Ulrich (Tobias Moretti) verheiratet. Auf der einen Seite der verurteilte Terrorist, der noch immer an seinen Überzeugungen festhält. Auf der anderen die Sympathisanten von einst, die sich längst auf die andere Seite geschlagen und es sich dort gemütlich gemacht haben. Für Zündstoff ist also gesorgt, zumal einer der drei damals verantwortlich war für Jens’ Verhaftung. Mitten in diese explosive Stimmung platzt dann auch noch Gregor (Robert Gwisdek), der gemeinsame Sohn von Jens und Inga, zu dem der Vater von Geburt an jeden Kontakt vermied.
Wird Jens den Verräter von damals finden und erschießen? Zunächst erweckt Das Wochenende den Eindruck, ein Thriller zu sein: ein abgelegenes Landhaus, düstere Bilder, ein bewaffneter Mann, drei Verdächtige, dazu eine bedrohliche Musik. Doch das Kammerspielartige wird nach und nach aufgegeben, die Suche nach dem Verräter gerät in den Hintergrund, wird erst spät und beinahe beiläufig aufgelöst. Auch eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Theorien der RAF findet nicht statt, dafür sind die Charaktere dann doch zu einfach gezeichnet.
Jens besteht auch nach 18 Jahren Haft fast schon trotzig auf seinen Ansichten, Ulrich wird als sein Gegenspieler aufgebaut, hat aber auch nicht mehr zu sagen. Darüber hinaus erfahren wir nicht viel von den beiden, das Gleiche gilt für Tina und Henner. Deutlich spannender fällt da schon Inga aus.
„Mir ist einfach immer alles passiert. Ich hab mich nie wirklich entschieden.“
Hin und her gerissen zwischen alten Gefühlen, die wieder hochkommen, und ihrem neuen Leben wird sie als Frau charakterisiert, die einfach Strömungen gefolgt ist, ohne wirklich über sie nachzudenken. Erst jetzt, wo es keinen Ausweg, keine Flucht vor der Konfrontation mehr für sie gibt, ist sie gezwungen, eine Position zu beziehen und dafür auch geradezustehen.
Katja Riemann darf hier, mit Perücke und Make-up älter gemacht, dann auch zeigen, dass sie bei allem öffentlichen Bild als Oberzicke und Journalistenschrecke eine verdammt gute Schauspielerin ist. Gleiches gilt auch für Robert Gwisdek, der zwar nur eine kleinere Rolle hat, sich damit aber mal wieder für Höheres empfiehlt. Unter der Oberfläche des stillen jungen Mannes brodelt ein Zorn, nicht unähnlich der von Jens, der sich ebenso gewaltsam entladen kann. Nur dass in diesem Fall nicht der Staat, der Kapitalismus oder eine undefinierte Bürgerschicht das Ziel ist, sondern der Vater, der ihn so bitter im Stich gelassen hat. Gerade in diesen Szenen, wenn Jens, Inga und Gregor aufeinandertreffen, erreicht Das Wochenende seine Höhepunkte: intensiv, spannend, brutal. Für den Rest des Films gilt das zwar nur bedingt – manches ist dafür nicht ausgearbeitet genug – aber allein für diese starken Momente ist es der Film wert, gesehen zu werden.
Das Wochenende ist seit 8. November auf DVD und Blu-ray erhältlich
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