(„Hemel“ directed by Sacha Polak, 2012)
Liebe? Reine Illusion. Das einzige, worauf es ankommt ist Sex. Nein, ausnahmsweise vertritt hier kein Mann diese Ansicht, sondern Hemel (Hannah Hoekstra). Der Name bedeutet im Niederländischen zwar Himmel, es sind dann aber doch eher die irdischen Beglückungen, welche die junge Dame anstrebt. Wo sie die findet und mit wem – Nebensache. Und so streift Hemel jede Nacht durch die Stadt, auf der Suche nach schnellen Nummern und austauschbaren Männern. Wenn möglich dann auch nicht für die ganze Nacht. Rein, raus, weg. Mehr braucht sie nicht. Lediglich ein Mann schafft es, zu einer Konstante in ihrem Leben zu werden, ihr Vater Gijs (Hans Dagelet). Den liebt Hemel tatsächlich abgöttisch. Als der Witwer sich jedoch seinerseits in Sophie (Rifka Lodeizen) verliebt, kommt es zum Bruch zwischen den beiden.
Filmprotagonisten, die Sex über Liebe stellen, sind ja keine wirkliche Seltenheit. Doch meistens handelt es sich dabei um Vertreter des männlichen Geschlechts, die in Komödien erst geläutert werden und erkennen müssen, worauf es im Leben wirklich ankommt. Anders als dort, steht hier nicht nur eine Frau im Mittelpunkt, zum Lachen ist hier einem auch nicht zumute. Statt Witzen und Zoten steht zu Beginn erst mal expliziter Sex auf dem Programm, der auch bei Feuchtgebiete wohl nicht fehl am Platz wäre. Während bei Charlotte Roche aber die Selbstbestimmung von jungen Frauen thematisiert wurde, spürt man hier recht bald, dass Hemels mangelnde Bindung nicht unbedingt Ausdruck ihrer Souveränität ist.
Doch was genau bei ihr im Argen liegt, verrät der Film nicht. Nur vereinzelt und auch eher spät bekommt die vermeintlich selbstbewusste Fassade ihre Risse und wir erahnen in Einzelmomenten, dass da einiges in ihrem Leben schiefgelaufen sein muss. Vor allem die Hintergründe zu Hemels verstorbener Mutter scheinen schwerwiegender zu sein, als man anfangs glaubt. Aber es bleibt bei diesen Andeutungen, eine wirkliche Aussage bleibt uns Hemel schuldig. Damit erinnert er auch weniger an Teeniekomödien oder eben Feuchtgebiete, sondern vielmehr an Shame, wo ebenfalls ein Mensch porträtiert wird, der innerlich leer seine Erfüllung in anonymen Sex sucht, ohne je zu klären, was ihn zu der gefühllosen Hülle gemacht hat.
Die Klasse dieses Films erreicht das niederländische Drama jedoch nicht. Regisseur Sacha Pola entwirft in meist unzusammenhängenden Episoden ein zwar stimmiges Bild einer emotional gestörten Frau, deren Schicksal den Zuschauer aber ebenso leer und letzten Endes unbefriedigt zurücklässt wie seine Protagonistin. Spannend wird der Film vor allem an den Stellen, an denen gar nicht mehr sie und ihre sexuellen Ausschweifungen auf dem Programm stehen, sondern ihr Verhältnis zu ihrem Vater. Wenn Hemel sich bei der Begegnung mit Sophie wie ein kleines Kind verhält oder später davon spricht, dass ihr Vater seine neue Freundin in „unser Haus“ nimmt, ahnt man, dass hinter dem Provokativen durchaus eine interessante Geschichte darauf wartet, erzählt zu werden. Nur dass Hemel eben genau das nicht tut.
Hemel läuft seit 14. November im Kino
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