(„Interior. Leather Bar.“ directed by James Franco, Travis Mathews, 2013)
Was ist normal? Was dürfen wir zeigen? „Jeder schaut Pornos“, erklärt James Franco irgendwann in Interior. Leather Bar. Als solcher wurde der Film auf manchen Seiten auch angekündigt, als Schwulenporno sogar. Verständlich, wenn der Frauenschwarm sich einem derart schlüpfrigen Thema annimmt, dann wird da so mancher hellhörig – unabhängig vom Geschlecht. Tatsächlich ist es aber das neueste Beispiel für die wachsende Tendenz des Schauspielers, sich an Filmprojekten zu beteiligen, die als Projekt interessant, als Film jedoch eher unbefriedigend sind (siehe Schatten und Lügen).
Konkreter Anlass für Interior. Leather Bar. ist ein Film, der inzwischen schon mehr als dreißig Jahre auf dem Buckel hat. Cruising hieß er, kam 1980 in die Kinos und sorgte damals für einen ziemlich fetten Skandal. Regisseur William Friedkin, der mit French Connection und Exorzist zuvor zwei große Hits gedreht hatte, erzählte darin die Geschichte eines Cops, der in der Schwulenszene unterwegs ist, um einen Serienmörder zu fassen. Das rief nicht nur Aktivisten auf den Plan, die sich an der Verknüpfung von Homosexualität und Gewalt störten, sondern auch die Motion Picture Association of America. 40 Minuten, angeblich voll expliziter Sexszenen, sollen der Zensur damals zum Opfer gefallen sein, damit Cruising doch noch ins Kino kam.
Und eben um diese 40 Minuten dreht sich hier alles. Wie könnten diese Passagen ausgesehen haben? Um das zu rekonstruieren, mieteten Franco und sein Koregisseur Travis Mathews einen Raum, heuerten einige Darsteller an und ließen ihrer Fantasie freien Lauf. Interior. Leather Bar. ist jedoch nur zum geringen Teil das Ergebnis der Rekonstruktion. Ein Großteil der 60 Minuten besteht aus einer Dokumentation über diesen Dreh und die Fragen, die damit verbunden sind. Oder eine Art Dokumention, denn wo die aufhört und das Fiktionale beginnt, wird nie genau geklärt.
Hört sich interessant an? Ist es. Hört sich langweilig an? Auch das. Am überzeugendsten ist das Experiment bei den grundsätzlichen Überlegungen. Bei der Frage, warum ausgerechnet die Darstellung von sexuellen Akten als problematisch angesehen wird, vor allem wenn es sich dabei um homosexuelle handelt. Von denen gibt es nämlich mehr als genügend hier, ziemlich explizite sogar. Für einen wirklichen Skandal reicht das heute nicht mehr, eigenartig fühlt es sich aber noch immer an, sie in einem „normalen“ Film zu sehen. Auch die Art und Weise, wie die Schauspieler damit umgehen – Hauptdarsteller Val Lauren und einige weitere Schauspieler geben an, hetero zu sein – und die Frage nach sexueller Identität haben ihre spannenden Momente.
Ein wirklicher Erkenntnisgewinn springt am Ende dennoch nicht heraus, denn die Grenztester kommen zu keinem überraschenden Ergebnis. Dass Franco ein Unwohlsein beim Betrachten von Sex außerhalb des Pornos auf Gewohnheiten und Normen zurückführt, mag plausibel sein, bleibt dann aber doch an der Oberfläche. Und letztendlich auch ohne Auswirkung, dafür ist die Distanz als Zuschauer dann doch zu groß. Das liegt vielleicht auch daran, dass Interior. Leather Bar. vor allem aus Interviews besteht. Ein wirklicher Fluss will sich so nicht einstellen, viele dürften sich aufgrund der fehlenden Handlung langweilen. Empfehlenswert ist die filmische Überlegung daher vor allem die, die sich gerne mit Sehgewohnheiten oder Geschlechterrollen auseinandersetzen, weniger für Leute auf der Suche nach einem „Film“.
Interior. Leather Bar. ist seit 29 November auf DVD erhältlich
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