(„Bastard“ directed by Carsten Unger, 2011)
Dass Kindheit und Unschuld nur einer Legende zufolge miteinander verknüpft sind, zeigt der Blick auf einen alltäglichen Schulhof. Weniger alltäglich ist aber, mit welcher Raffinesse und Bosheit die Schüler Leon (Markus Krojer) und Mathilda (Antonia Lingemann) ihr Umfeld quälen: Diebstahl, Nötigung, Entführung, Mord – erlaubt ist so ziemlich alles. Neuestes Opfer ihrer Bösartigkeit ist das Ehepaar Anja (Beate Maes) und Raphael Heine (Stephan Schad). Deren Sohn Nicolas hat Leon nämlich entführt und hält ihn irgendwo versteckt. Dass er der Schuldige ist, daran lässt er keinen Zweifel. Mehr noch: Er gibt sich den Eltern recht bald als solcher erkennen, wohl wissend, dass er mit seinen 13 Jahren noch nicht als schuldfähig gilt.
Besonders gemein: Leon hat keine der üblichen Forderungen. Geld? Das ist dem Schüler egal. Und gerade diese Undurchsichtigkeit und das scheinbare Fehlen eines Motivs erlauben ihm, mit den Eltern immer dreistere Psychospielchen zu spielen, bis an die Schmerzgrenze zu provozieren und jede Minute auszukosten. Doch zum Glück steht ihnen mit der Kriminalpsychologin Claudia Meinert (Martina Gedeck) eine Frau gegenüber, die ebenso skrupellos ist, wenn es um das Auffinden des verschwundenen Nikolas geht. So skrupellos sogar, dass man sich hin und wieder fragt, welche der Figuren eigentlich die meisten Psychosen mit sich trägt.
Für Hobbydetektive bietet diese Spurensuche naturgemäß nur wenig Grübelmaterial, schließlich wird der Täter gleich zu Beginn verraten. Der eigentliche Höhepunkt des deutschen Thrillers ist daher das packende Psychoduell zwischen den Kindern und der Polizistin, das sich zunehmend steigert, teils groteske Ausmaße annimmt und die hilflosen Eltern zu Nebenfiguren degradiert. Regisseur und Drehbuchautor Carsten Unger entwarf in seinem Langfilmdebüt geradezu furchterregend zerstörte Menschen – auf beiden Seiten des Gesetzes – und fand glücklicherweise auch die passende Besetzung dazu. Dass Martina Gedeck in der Hauptrolle gewohnt überzeugend auftreten würde, das war zu erwarten. Die wirkliche Überraschung ist aber, mit welcher Souveränität die beiden Nachwuchsschauspieler Markus Krojer und Antonia Lingemann ihre Figuren ausfüllen.
Wenn es bei Bastard etwas Zwiespältiges gibt, dann beim Drehbuch. Auf der einen Seite schafft es der Thriller, trotz der klaren Ausgangslage bis zum Ende seine Spannung zu erhalten, denn die Hintergründe der Tat erschließen sich erst relativ spät. Auch wenn es zunächst danach aussieht, selbst hinter der eiskalten, unmenschlichen Fassade der Kinder wartet eine Absicht, Ereignisse, die sie zu dem gemacht haben, was sie sind. Und genau bei diesem Eintauchen in die Vergangenheit und den Erklärungsversuchen schrammt der Film manchmal nur knapp an kitschiger Küchenpsychologie vorbei. Der Versuch, aus den Monstern wieder Menschen zu machen, wirkt dabei doch etwas holprig und ist nicht annähernd so außergewöhnlich wie das Handeln der drei Hauptprotagonisten. Den Rest der Zeit ist Bastard aber – gerade für einen deutschen Thriller – so bemerkenswert perfide, dass er sich selbst erfahrenen Genrefreunden und Fans düsterer Skandinavienkrimis tief ins Gedächtnis brennt.
Bastard ist seit 8. November auf DVD erhältlich
(Anzeige)