Im neunten Teil unseres Specials über Studio Ghibli, reisen wir weit in die Vergangenheit, in eine Zeit, als es das Studio noch gar nicht gab. Schon bei Nausicaä aus dem Tal der Winde scheiden sich die Geister, ob man ihn nun Ghibli zuordnen sollte oder nicht. Hier ist der Fall eindeutig: Als 1979 Das Schloss von Cagliostro in die japanischen Kinos kam, war ein eigenes Animationsstudio nicht einmal Zukunftsmusik, stattdessen zeigte sich Tôkyô Movie Shinsha (Akira, D.Gray-man, Lady Oscar) für die Umsetzung der bekannten Figur zuständig. Und doch ist der erste Langfilm von Ghibli-Mitbegründer Hayao Miyazaki auch heute noch einen Blick wert – und das nicht nur für Sammler und Historiker.
Dass Miyazaki bei seinen Filmen gerne auf Manga- und Buchvorlagen zurückgriff – seien es eigene (Nausicaä aus dem Tal der Winde, Porco Rosso) oder die von anderen (Kikis kleiner Lieferservice, Das wandelnde Schloss) – ist kein Geheimnis. Doch selten war das Ursprungsmaterial so berühmt wie hier, wenn auch auf Umwegen. Seit seinem ersten Auftritt 1905 war der Meisterdieb Arsène Lupin des Schriftstellers Maurice Leblanc der „Held“ zahlreicher Romane und Verfilmungen gewesen. Vor allem im französischsprachigen Raum genießt er bis heute große Bekanntheit, aber auch im Land der aufgehenden Sonne fand der Dieb und Gentleman zahlreiche Anhänger. Das ging so weit, dass der japanische Zeichner Kazuhiko Katō unter dem Pseudonym Monkey Punch die Mangareihe Lupin III veröffentlichte, die dem gleichnamigen Enkel des vornehmen Einbrechers gewidmet war.
Ein Meisterdieb auf Schatsuche
Und auch in Das Schloss des Cagliostro steht der namhafte Nachkomme im Mittelpunkt. Dieses Mal hat es den nicht minder fingerfertigen und diebisch veranlagten Enkel in den Zwergstaat Cagliostro verschlagen. Dessen Regent hat dabei auf den ersten Blick recht viel mit Lupin III gemeinsam. Als Graf kann er eine ebenso noble Blutlinie vorweisen, die internationalen Gesetze interessieren ihn auch nicht sonderlich. Statt normaler Regierungsgeschäfte widmet sich der Graf nämlich lieber der Blütenzucht: Dollars, Yen, Deutschmark, Francs, alles, was das Herz und die anderen Regierungen begehrt. Doch diese Falschdruckpressen sind nur von sekundärem Interesse für den ambitionierten Dieb. Viel lieber würde er das Herz der zukünftigen Gräfin von Cagliostro erobern, die nicht ganz freiwillig in den Bund der Ehe eingewilligt hat. Und so ist Lupin III hinter dem Grafen her, der das Mädchen verfolgt. Als dann auch noch Interpol auftaucht und sowohl dem Grafen als auch Lupin III auf den Fersen ist, ist das Chaos perfekt.
Wer das erste Mal Das Schloss des Cagliostro anschaut, wird vermutlich auf Anhieb gar nicht bemerken, dass der Film von Miyazaki stammt. Grund dafür ist, dass sich der Animationskünstler eng an die Mangavorlage halten musste und die Figuren entsprechend ganz anders aussehen als seine späteren Eigenkreationen. Das Schloss wiederum ist eine Hommage an eines der großen Vorbilder von Miyazaki: Der König und der Vogel. Wie dort ist das verwinkelte Domizil vor allem vertikal ausgerichtet, verfügt über Außenfahrstühle und Falltüren an allen Ecken und Enden.
Unterhaltsam und altmodisch
Anders als Paul Grimaults Zeichentrickklassiker ist die Atmosphäre hier jedoch weder surreal noch melancholisch. Stattdessen wird beste Sonntagmorgenunterhaltung geboten, die man am ehesten noch mit der ersten Hälfte von Das Schloss im Himmel vergleichen kann. Gerade wenn die drei Parteien – Lupins Gang, der Graf und seine Garde sowie Inspektor Zenigata – im Schloss zum großen Showdown zusammentreffen, geht der Spaß in dieser Mischung aus James Bond und Der rosarote Panther erst richtig los. Action und Spannung wird ständig geboten und auch witzige Einlagen kommen nicht zu kurz. Natürlich sind Zeichnungen und Humor aus heutiger Sicht etwas altmodisch. Wer sich daran nicht stört, wird aber Jahrzehnte später immer noch gut unterhalten. Kleine Warnung vorweg: An manchen Stellen wird Das Schloss des Cagliostro düster, fast schon morbide. Zu jung sollten die Zuschauer hier also nicht sein.
OT: „Rupan Sansei: Kariosutoro no Shiro“
Land: Japan
Jahr: 1979
Regie: Hayao Miyazaki
Drehbuch: Hayao Miyazaki, Tadashi Yamazaki
Vorlage: Monkey Punch
Musik: Yūji Ōno
Animation: Tôkyô Movie Shinsha
Wer mehr über Lupin III und seine Crew erfahren möchte: In unserem Themenspecial verraten wir mehr zur Historie des Meisterdiebs.
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