(„La Nouvelle Guerre des boutons“ directed by Christophe Barratier, 2011)
Gib mir Knöpfe, sonst kriegste Dresche! 2012 feierte der „Krieg der Knöpfe“ gleich ein doppeltes Jubiläum. Zum einen erschien vor 100 Jahren das Original-Kinderbuch von Louis Pergaud. Und auch die Verfilmung von 1962 – selbst ein Klassiker – durfte sich über einen runden Geburtstag freuen. Dass pünktlich zum Fest auch neue Filmfassungen anstanden, wäre zwar nicht notwendig gewesen, wirklich geschadet hat es aber auch nicht. Und eine davon schaffte es sogar hierzulande in die Kinos.
Manche Sachen kommen zum Glück nie aus der Mode. Als Junge anderen eins auf die Nase geben zum Beispiel. Kein Wunder also, dass auch der „Krieg der Knöpfe“ heute so aktuell ist wie vor 100 Jahren, als der Roman in die Läden kam. Natürlich, die Art der Waffen hat sich ein klein wenig geändert, gelten Steinschleudern heute nicht unbedingt noch als State of the Art. Dafür funktionieren Tritte, Fausthiebe oder der gelegentliche Einsatz von Zähnen heute genauso gut wie vor 100 oder sogar 1000 Jahren.
Und eben von diesen Waffen dürfen die Jungen aus Longueverne ausgiebig Gebrauch machen, geht es doch gegen ihre Erzfeinde: die verhasste Brut aus dem Nachbardorf Velrans. Tatsächlich handelt der gesamte Roman von der innigen Intimfeindschaft und den Versuchen, sich gegenseitig – verbal wie handgreiflich – eins auf die Mütze zu geben. Besonderes Augenmerk gilt bei diesen Scharmützeln der Kleidung der Gefangenen: Knöpfe, Schnürsenkel, Hosenträger. Die dienen nicht nur als Kriegstrophäen, sondern zwingen den anderen auch, in Schimpf und Schande den Nachhauseweg anzutreten. Wo meistens noch eine Tracht Prügel durch die Eltern auf sie erwartet, als Bestrafung dafür, dass die Lümmel schon wieder ihre Klamotten zerrissen haben.
Soweit das Grundthema, das sich durch Roman wie Filme zieht. Doch die Verfilmung von Christophe Barratier geht da noch einen guten Schritt weiter. Holte der Streifen von 1962 die Abenteuer um Lebrac, Camus und La Crique in die Gegenwart, versetzt Barratier seine Fassung nach 1944 – und damit mitten in den Zweiten Weltkrieg. „Echte“ Kriegsszenen sind hier zwar keine zu sehen, doch der zeitliche Kontext sorgt für einen zweiten Handlungsstrang in Form eines Mädchens, der im Laufe des Films immer stärker in den Vordergrund rückt. Besagtes Mädchen hört auf den Namen Violette (Ilona Bachelier), stammt aus Paris und macht im Dorf Urlaub. Angeblich. In Wahrheit heißt sie Myriam, ist Jüdin und versteckt sich vor den Nazi-Handlangern.
Auf diese Weise erhält die Geschichte einen ungewohnt ernsten Unterton. Und einen romantischen noch hinzu, dauert es doch nicht lange, bis Raubein Lebraque (Jean Texier) der fremden Schönheit verfällt. Puristen werden sich spätestens hier freiweillig die Knöpfe vom Leib reißen. „Eine Liebesgeschichte?! Das kann doch nicht deren ernst sein!“ Doch, ist es. Mehr noch, auch zwischen Lehrer Paul (Guillaume Canet) und Simone (Laetitia Casta), der vorgeblichen Tante von Violette, funkt es gewaltig. Sonderlich werkgetreu ging man hier nicht vor und nannte den Film in der Heimat konsequenter Weise auch La Nouvelle Guerre des boutons, also Der neue Krieg der Knöpfe.
Aber funktioniert das auch? Jein. Ein bisschen kitschig sind die ersten Anbandelungen zwischen Lebraque und Violette schon. Und auch die moralischen Untertöne des Films sind weder subtil noch komplex. Aber schließlich ist Krieg der Knöpfe – düsterer Zeitgeschichte zum Trotz – nach wie vor für ein eher jüngeres Publikum gedacht, und da dürfen Geschichten schon ein wenig einfacher ausfallen. Und wer seine Vorurteile beiseite schiebt, wird feststellen, dass die neuen Elemente zwar überflüssig sind, sich aber erstaunlich homogen in die klassische Geschichte einfügen. Und weil zudem die Nachwuchsschauspieler durch die Bank sympathisch sind, die Bilder hübsch und die Ausstattung liebevoll, gehen auch die „neuen Kriege“ als insgesamt gefälliger Jugendfilm durch. Ein Klassiker, über den man in fünfzig Jahren noch sprechen wird, ist die neue Verfilmung aber nicht geworden, dafür sind Lebraques Abenteuer doch zu adrett und harmlos.
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