(„Extracted“ directed by Nir Paniry, 2012)
Bestimmen wir unsere Erinnerungen, indem wir festlegen, was wir von unseren Erfahrungen zurückbehalten und auf welche Weise? Oder sind es umgekehrt die Erinnerungen, die uns so sehr prägen, dass sie aus uns letztendlich machen, wer wir sind? Bis heute streiten Philosophen und Wissenschaftler darüber, wie der genaue Zusammenhang zwischen Gedächtnis und Persönlichkeit aussehen mag. Dass sie sich gegenseitig beeinflussen ist jedoch unstrittig, was sich gerade bei Menschen mit traumatischen Erfahrungen deutlich zeigt.
Eben diesen wollte Tom (Sasha Roiz) mit seiner neuen Erfindung helfen: Eine Maschine, die es ermöglicht, in die Erinnerungen von anderen Menschen einzusteigen und vor Ort zu erleben. Wenn man erst einmal sieht, was ihnen in der Vergangenheit zugestoßen ist, kann man auch besser bei der Bewältigung des Erlebten helfen – so die Idee. Doch auch die schönste Idee wird immer wieder in seine Schranken verwiesen, wenn sie mit der nüchternsten aller Wirklichkeiten zusammenprallt. Geld. Tom hat an diesem recht wenig Interesse, ist aber doch darauf angewiesen, wenn es um die Konstruktion seiner Erfindung geht. Ein Sponsor muss also her.
Das Justizministerium wäre sogar bereit, ihm alles zu geben, was er braucht, verlangt im Gegenzug aber, dass Tom ins Gedächtnis von Tony (Dominic Bogart) springt und berichtet, was er dort sieht. Tony beteuert nämlich bis heute, dass er nicht der Mörder war, es gar nicht hätte sein können. Glauben will ihm das zwar niemand, aber warum nicht einfach nachsehen? Toms Aufgabe ist also klar: herausfinden, was in der Mordnacht wirklich passierte. Tatsächlich gelingt ihm die Verbindung mit Tonys Geist, doch das Experiment geht schief und Tom findet anschließend den Ausgang nicht mehr. Und so ist der Wissenschaftler in den Erinnerungen des anderen gefangen und muss nach einem neuen Weg suchen, da wieder rauszukommen.
Nein, ganz neu ist die Idee hinter Memory Effect nicht. Schon Inception, Vanishing Waves und Konsorten spielten mit der Möglichkeit, das Bewusstsein von anderen Menschen mit Hilfe von Maschinen hautnah zu erkunden. Neu ist, dass es sich hier eben um Erinnerungen handelt. Die sind zwangsweise weniger surreal als Träume und bieten somit nicht ganz so viel fürs Auge. Da passt es ganz gut, dass man hier mit weniger Geld auskommen musste als die Konkurrenz und kaum mit Special Effects um sich schmeißen konnte. Im Eifer des Gefechts fällt das jedoch kaum auf.
Außerdem erlauben Erinnerungen einen persönlicheren Zugang. Während vergleichbare Filme meist recht unterkühlt sind und den Science-Fiction-Teil hervorheben, sind es hier die Menschen, um die sich alles dreht. Immer tiefer tauchen wir in Tonys Vergangenheit ein und erfahren mehr über seine oft traurigen Hintergründe. Ein reines Drama ist Memory Effect aber dennoch nicht, dafür nimmt die Spurensuche einen zu großen Teil ein. „Da war noch ein anderer Mann“, behauptet Tony und gemeinsam versuchen die Männer die wahren Ereignisse der fatalen Nacht zu rekonstruieren. In diesen Momenten wandelt sich der Independentfilm schon fast zu einem lupenreinen Krimi. Zum Ende hin ist die Geschichte dabei leider konstruiert und man hat es sich da ein bisschen einfach gemacht. Und aus der philosophischen Ebene hätte man ebenfalls mehr rausholen können. Aber auch so ist der Science-Fiction-Thriller spannend und gefällt mit seiner Abwandlung eines bekannten Themas.
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