(„The East“ directed by Zal Batmanglij, 2013)
Auge um Auge, Zahn um Zahn. Nicht erst seit der Finanzkrise, NSA-Skandal und Fukushima macht sich in der Bevölkerung ein Gefühl der Ohnmacht breit, ein Gefühl, dass die da oben in den Vorständen ohnehin machen können, was sie wollen, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Wenn sich etwas bewegen und die Stimme des kleinen Mannes gehört werden soll, dann geht das nur durch Gewalt – so die Überzeugung der Terrorgruppe „The East“. Aber keine Bombenanschläge oder Entführungen stehen auf dem Programm, vielmehr sollen die Verantwortlichen am eigenen Leib erleben, was diese anderen antun. Verschmutzt du das Meer mit Öl, verschmutzen wir dein Haus. Lässt du Menschen gefährliche Medikamente schlucken, zwingen wir dich, sie selbst zu schlucken.
Bei der breiten Bevölkerung sammeln sie damit sicher vereinzelt Sympathiepunkte, die Unternehmen sind aber aus verständlichen Gründen weniger begeistert. Auftritt Sharon (Patricia Clarkson). Deren Firma „Hiller Brood“ hat sich auf die Abwehr von Anschlägen auf Unternehmen spezialisiert und fährt richtig gut damit. Und auch „The East“ soll nun in seine Schranken verwiesen werden, so der Auftrag von Sharons gut betuchten Klientels. Dafür schleust sie die ehemalige FBI-Agentin Sarah Moss (Brit Marling) undercover in die Truppe ein. Aufspüren, ausspionieren und am Ende aufhalten – ein Job wie immer. Aber „The East“ ist anders, wie Sarah bald feststellt, Anführer Benji (Alexander Skarsgård) kein wilder Psychopath, sondern sanftmütig, charmant und freundlich. Und er hat, wie auch der der Rest der Mannschaft, seine ganz persönlichen Gründe für das, was er tut.
An der Stelle merkt man deutlich, dass das Gespann Zal Batmanglij und Brit Marling – er führt Regie, sie spielt die Hauptrolle, zusammen schrieben sie das Drehbuch – mehr wollte als nur einen weiteren Film über eine Terrorgruppe. Ähnlich wie The Company You Keep verzichtet auch The East darauf, die die Terroristen zu dämonisieren, sondern lässt durch Sarahs Erfahrungen vor Ort die einzelnen Mitglieder menschlich werden. Fast schon zu menschlich. Auch wenn der Film nicht unbedingt die Methoden der Terroristen gutheißt, sympathisiert er doch deutlich mit deren Zielen. Eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung wäre nicht verkehrt gewesen, denn durch die fehlende Distanz und die zu starke Schwarz-Weiß-Zeichnung hat The East immer etwas Oberlehrerhaftes an sich.
Auch die diversen Unwahrscheinlichkeiten und eine überflüssige Romanze vergällen einem ein wenig den Film, denn beides wäre nicht notwendig gewesen. Und das ist schade, denn über weite Strecken ist The East ein spannender und gut gespielter Thriller, der viele heiße Themen anpackt. Dabei sind die eindrucksvollsten Szenen gar nicht mal die, wenn der Indiefilm Selbstjustiz ausübt und unverantwortliche Manager attackiert, sondern wenn er mit ganz einfachen Mitteln unseren täglichen Umgang miteinander und unsere Gewohnheiten hinterfragt. An diesen Stellen zeigt sich, dass das eingespielte Team Batmanglij und Marling – The East ist die dritte Zusammenarbeit der beiden Freunde – einige wirklich interessante Sachen zu sagen hat. Und auch wenn ihr aktuellster Film zum Ende nicht mehr ganz so rund ist, allein dafür hätte man dem Thriller mehr Erfolg an der Kinokasse gewünscht.
The East ist seit 15. November auf DVD erhältlich
(Anzeige)