(„Intouchables“ directed by Olivier Nakache, Éric Toledano, 2011)
Es geht doch nichts über wahre Männerfreundschaft! Mit dem anderen bei einem Bier das letzte Spiel anschauen, ein wenig über Frauen herziehen und sich gegenseitig den Hintern abwischen. Okay, Letzteres ist vielleicht etwas doch ungewöhnlich. Aber gewöhnlich ist an der Freundschaft zwischen Driss und Philippe ohnehin nicht viel. Wie sollte auch?
Auf der einen Seite Driss (Omar Sy): arbeitslos, Migrationshintergrund, jung, vorbestraft, der Alptraum jeder Mutter und jedes Jobcenters. Auf der anderen Seite Philippe (François Cluzet): wohlhabend, weiß, Mitte vierzig, seit einem Unfall querschnittsgelähmt und durch den Tod seiner Frau auch seiner Lebensfreude beraubt. Ein Fall für Mitleid? Nicht, wenn es nach Driss geht. Als dieser bei Philippe auftaucht, um sich als Pfleger zu bewerben – pro forma, weil auf Druck des Arbeitsamtes – denkt er nicht im entferntesten daran, Philippe für sein Schicksal zu bedauern. Im Gegenteil.
Spott, Häme, Respektlosigkeit – normalerweise nicht die beste Voraussetzung, um einen potenziellen Arbeitgeber von sich zu überzeugen. Und rennt damit doch bei Philippe offene Türen ein. Genervt von Leuten, die ihn wie ein rohes Ei behandeln, findet Philippe Gefallen an dem ungestümen jungen Mann und stellt ihn tatsächlich ein. Was folgt ist zugegeben recht vorhersehbar, obwohl der Film auf einer wahren Begebenheit beruht. Philippe führt Driss in die große Welt jenseits der verwahrlosten Banlieus ein, gibt seinem Leben Struktur und eine Aufgabe und verhilft ihm so zu mehr Selbstachtung und Verantwortungsbewusstsein. Und Driss reißt den lustlosen Philippe aus dessen Lethargie, zeigt wie schön und einfach das Leben sein kann.
Über 19 Millionen Franzosen sahen das genauso. So viele Zuschauer lockte nämlich Ziemlich beste Freunde in seinem Heimatland in die Kinos und wurde so zum dritterfolgreichsten Film aller Zeiten. Aber auch in Deutschland war die Komödie ein absoluter Kassenschlager. Mehr als neun Millionen Zuschauer waren es bislang, mehr als bei Skyfall, Der Hobbit oder Django Unchained. Und es werden immer noch mehr, denn knapp zwei Jahre nach dem Kinostart und über ein Jahr nach dem Home Release ist der Film immer noch regelmäßig unter den 100 erfolgreichsten Kinofilmen des Monats zu finden. Zum Vergleich: Fack ju Göhte, der erfolgreichste Film 2013, schaffte es bisher auf „nur“ fünf Millionen. Und das obwohl dort Stars zum Abwinken präsent waren, während François Cluzet und Omar Sy, die beiden Hauptdarsteller von Ziemlich beste Freunde, hierzulande vorher keiner kannte. Das hat sicher inzwischen natürlich geändert, gerade Sy spielt inzwischen gefühlt in jeder zweiten französischen Komödie mit.
Dass Ziemlich beste Freunde zu einem solchen Publikumsmagneten werden konnte, lag dann auch weniger an der mäßig originellen Geschichte als vielmehr an den sympathischen Figuren und deren Umgang miteinander. Einen so wunderbar unverkrampften Zugang zum Thema Behinderung sah man im Kino schließlich doch eher selten. Statt rührseliger Betroffenheit lebt der Film – ähnlich wie unlängst Paulette – von den bissigen und politisch höchst unkorrekten Frotzeleien, die auch dann noch anhalten, als die beiden Hauptfiguren längst mehr sind als nur Arbeitgeber und -nehmer. Stichwort: „Keine Arme, keine Schokolade.“ Das alles macht Ziemlich beste Freunde zu einem Film, der über weite Strecken so umwerfend charmant und lustig ist, dass sich nur standhafte Zyniker an der einfachen Handlung stören dürften.
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