(„47 Ronin“ directed by Carl Rinsch, 2013)
Treue bis in den Tod? Wissentlich das eigene Leben zu opfern, um jemand anderen zu rächen? Ein seltsames Konzept, für das es heute keinen rechten Platz mehr geben will, in einer Zeit, in der persönliche Verantwortung etwas aus der Mode gekommen ist und man es sich lieber hinter dem Kollektiv bequem macht. Vielleicht ist das der Grund, dass sie bis heute eine so große Faszination auf uns ausüben, die 47 Ronin. Mehr als 300 Jahre sind vergangen, seitdem die tapferen Männer wissentlich in den Tod gingen, um den ihres Herren zu vergelten. Aber noch immer sind sie als Beispiel für Aufrichtigkeit und Mut ein fester Teil des japanischen Bewusstseins, ein Vorbild, dem in vielen Filmen, Theaterstücken oder auch Opern gehuldigt wurde.
Warum Hollywood – sonst immer gern dabei, wenn es darum geht, Heldengeschichten mit viel Pathos auszuschlachten – diese legendären Kämpfer aus Fernost die ganze Zeit ignorierte, ist schwer zu sagen. Vielleicht scheute selbst die Traumfabrik davor zurück, die urjapanische Geschichte für den Westen zu amerikanisieren, wie sie es in Ring oder Grudge getan hat. Glücklicherweise verzichteten auch die erfahrenen Drehbuchautoren Chris Morgan (Fast & Furious 3-7) und Hossein Amini (Drive, Snow White and the Huntsman) darauf, eine reine US-Fassung des klassischen Stoffes zusammenzuschreiben. Freiheiten haben sie sich dennoch einige herausgenommen, und das auf den unterschiedlichsten Ebenen.
Der im Vorfeld offensichtlichste ist sicher die Einführung der Figur Kai. Nicht nur, dass es die im Original nicht gab, sie wird zudem von Keanu Reeves gespielt – nachgewiesenermaßen kein Japaner. Auch wenn der Versuch, den Film dadurch für den Westen zugänglicher zu machen, nicht gerade subtil ist, dumm war die Idee nicht. Schließlich fiel der Kanadier aufgrund seiner fremdländischen Züge schon auf, als er mit Filmen wie Matrix oder Speed zur ersten Reihe der Hollywoodstars gehörte. Insofern nimmt man ihm die Figur des Halbblutes durchaus ab, der zur einen Hälfte japanisch, zur anderen britisch ist.
Dass wir hier keinen reinen Samuraifilm vorgesetzt bekommen, wird zudem auch gleich am Anfang klar, als Kai zusammen mit den Männern von Fürst Asano (Min Tanaka) ein gewaltiges Biest erlegt. An der Stelle werden Erinnerungen an den Animeklassiker Prinzessin Mononoke wach, der ganz ähnlich begann, so wie auch später reichlich Elemente aus japanischen Fantasygeschichten und Märchen auftauchen: Füchse, Dämonen, Drachen und eine gefährliche Hexe (Rinko Kikuchi). Letztere ist es auch, die das große Unglück erst möglich macht. Im Auftrag ihres Meisters, Fürst Kira (Tadanobu Asano), verhext sie Asano. Unter dem Einfluss ihres Zaubers greift der ansonsten so sanfte Herrscher Kira an, als der zeitgleich mit Shogun Tsunayoshi (Cary-Hiroyuki Tagawa) bei Asano zu Gast ist.
Einen Fürsten anzugreifen? Darauf steht im alten Japan natürlich die Todesstrafe. Zwar wird Asano das Recht zugestanden, seine Ehre zu wahren, indem er seinem Leben selbst ein Ende setzt. Doch das ändert nichts daran, dass sein Reich in Zukunft keinen Führer hat. Und so beschließt der Shogun, dass Asanos Tochter Mika (Kô Shibasaki) Kira heiraten und damit die beiden Fürstentümer vereinen soll. Asanos Gefolgsmänner jedoch , angeführt von Oishi (Hiroyuki Sanada), werden in die Verbannung geschickt und jeglicher Umgang mit Waffen streng verboten. Dem Anschein nach fügt sich die Truppe ihrem Schicksal. Doch ein knappes Jahr später, kurz vor der Zwangsheirat von Mika, rotten sich die herrenlosen Samurai zusammen, um entgegen der Befehle des Shoguns doch noch Blutrache einzufordern.
Wer das Ausgangsmaterial kennt, sieht schnell, dass die Geschichte der herrenlosen Samurai nur als grobe Inspirationsquelle diente. Ein akkurater Historienfilm sollte 47 Ronin aber auch gar nicht werden, stattdessen ähnelt das Langfilmdebüt von Regisseur Carl Rinsch chinesischen Wuxiaabenteuern wie A Chinese Ghost Story oder Die Legende der weißen Schlange, wo Martial Arts mit Fantasy gekreuzt wurde, und das vor historischer Kulisse. Letztere macht auch mächtig was her: Egal ob Kostüme, Waffen oder auch die eigens errichtete Burg, in der der große Showdown stattfindet, hier wurde alles dafür getan, um das Flair des alten Japans auf die Leinwand zu bringen. Die Ausstattung ist dann auch eine der beiden großen Stärken des Streifens.
Die andere sind die Kämpfe. Mehrere Wochen trainierte Reeves den Umgang mit Katanas, den traditionellen japanischen Schwertern, und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Gerade wenn zum Ende die 47 Ronin zum Angriff auf Kira und dessen Männer setzen, sind die diversen Schwächen des Films schnell vergessen. Die wiederum gibt es vor allem auf der inhaltlichen Seite. Selbst ohne Vorkenntnisse bietet die Handlung kaum Überraschungen, die Figuren sind langweilig und der Versuch, den Film durch eine aufgesetzte Liebesgeschichte für die Massen zu öffnen, fast schon ärgerlich. Hohe Ansprüche sollte man also nicht mitbringen. Wer das nicht tut und einfach nur toll choreografierte Kämpfe vor imposanter Kulisse sehen will, dürfte nicht enttäuscht sein. Ob es dafür aber wirklich ein 200-Millionen-Dollar-Budget gebraucht hätte, das werden die Zuschauer entscheiden müssen.
47 Ronin läuft ab 30. Januar im Kino
(Anzeige)