(„Bela Kiss: Prologue“ directed by Lucien Förstner, 2011)
Die Zahl des Tages: 23. Ebenso viele junge Frauen soll Béla Kiss vor rund hundert Jahren getötet haben. Nun gibt es in der Geschichte der Serienmörder haufenweise Namen und Taten. Und doch, zwei Merkmale unterscheiden den Ungarn von den meisten seiner Kollegen. Zum einen bewahrte er seine Opfer in Metallfässern auf, wohl konserviert in Alkohol. Zum anderen ist er nie gefasst worden. 1916 inmitten der Kriegswirren wäre er beinahe in einem serbischen Krankenhaus gefasst worden, doch Kiss war bereits geflohen. Und danach? Gerüchte gab es viele, Leute die ihn gesehen haben wollen. Doch bis heute ist unklar, was aus dem Schwerverbrecher geworden ist.
Die sonderbaren Fässer, ein Geheimzimmer mit schauerlichen Büchern, dazu ein nie geklärtes Schicksal – das ist eigentlich der Stoff, aus dem Legenden gestrickt sind. Doch während andere historische Serienmörder wie Jack the Ripper bis heute jedem ein Begriff sind und gerade das Fernsehen das Thema immer wieder gerne aufnimmt (Dexter, Hannibal), ist Béla Kiss in Vergessenheit geraten. Der deutsche Regisseur und Drehbuchautor Lucien Förstner wollte dies in seinem ersten Langspielfilm Bela Kiss: Prologue ändern – was ihm aber nur zum Teil geglückt ist.
Bis wir in seinem Film das erste Mal von Kiss zu sehen bekommen, vergeht dann auch eine ganze Weile. Zunächst dreht sich alles um fünf Bankräuber, die sich nach ihrem Coup in einem Hotel im Wald verstecken. Keine schlechte Idee, denn man ist dort auf Diskretion spezialisiert. Schließlich ist man die erste Anlaufstelle für Leute, die das mit der Untreue nicht so genau halten. Und damit sich auch ja niemand verplappert oder kompromittierende Unterlagen gefunden werden können, tragen die Gäste die Namen von Märchenfiguren.
Märchenhaft geht es später aber nicht zu, denn abgelegen im Wald gehen nicht nur Ehebrecher um, sondern auch ein Mörder (Rudolf Martin). Schon in der ersten Nacht beobachtet Julia (Kristina Klebe), wie dieser seinem speziellen Vergnügen im Nachbarzimmer nachgeht. Doch glauben will ihr, wie so oft in Horrorfilmen, naütrlich keiner. Also beschließen ihre Miträuber zu bleiben, der seltsamen Atmosphäre und der noch seltsameren Haushälterin zum Trotz, zumindest so lange, bis da draußen Gras über ihren Überfall gewachsen ist. Was sie zu dem Zeitpunkt nicht ahnen: Sie werden bald selbst jenes über sich wachsen sehen, einer nach dem anderen fällt dem Mörder zum Opfer.
Verbrecher, die bald selbst zu Opfern werden, das gab es in der letzten Zeit oft genug zu sehen, sei es im stylischen Slasher No One Lives, den launigen Zombiekomödien Cockneys Vs. Zombies und Gangsters, Guns & Zombies oder dem Hinterwäldlerschocker Sickle – Prepare for Hell. Nun ist Deutschland nicht unbedingt als Premiumquelle für Horrorfilme bekannt. Abgesehen von Zimmer 205, und das war auch noch ein Remake, wird es oft unterdurchschnittlich. Leider reiht sich auch Bela Kiss: Prologue bei der wenig illustren Riege ein.
Dabei gibt es hier einige durchaus positive Aspekte. Zu Beginn arbeitet Förstner mit angeblich alten Filmaufnahmen, was zwar nicht originell aber hübsch anzusehen ist. Auch später gibt es immer wieder gelungene Aufnahmen, gerade vom Hotel und seiner Umgebung. Zusammen mit der stimmungsvollen Musik passt die Atmosphäre schon mal, eine wichtige Voraussetzung für den gepflegten Horror. Umso unverständlicher, dass später der stilvolle Gruselfaktor völlig in die Tonne getreten wird und stattdessen eine übernatürliche und äußerst krude Richtung eingeschlagen wird. An der Stelle wird Bela Kiss: Prologue so trashig, dass man sich vor Verwunderung die Augen fast blutig reibt. Das wäre ja noch in Ordnung, wäre der ganze Film in dem Stil gehalten und offensichtlich humorig gemeint gewesen. So aber bleibt ein Beitrag, der etwas zu wild Mysterythriller, Monsterhorror und Slasher zusammenwirft und am Ende dann auseinanderbricht.
Das ist schade, nicht nur weil es in Deutschland Mut braucht, um einen Horrorfilm überhaupt erst zu realisieren. Und diesen Mut würde man eigentlich gerne belohnen wollen. Aber wie schon bei Sin Reaper werden auch hier die guten Ansätze gerade zum Ende hin völlig zunichte gemacht. Dass Bela Kiss: Prologue auch noch ebenso unglaubwürdig ist – in einem voll besetzten Hotel wird regelmäßig gemordet, ohne dass es die Gäste bemerken – fällt da nicht weiter ins Gewicht. Falls es doch noch zu einer Fortsetzung kommen sollte, und die war offensichtlich geplant, bleibt nur zu hoffen, dass Förstner sich für eine klarere Linie entscheidet und auch etwas gewieftere Schockmomente entwirft.
Bela Kiss: Prologue ist seit 29. November auf DVD und Blu-ray erhältlich
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