(„Grossstadtklein“ directed by Tobias Wiemann, 2013)
Das Ende der Schulzeit, gibt es eine aufregendere Phase im Leben? Der staatlich aufgebrummte Leerzwang ist vorbei und man hat das Gefühl, einem steht die ganze Welt offen. Man kann zum Beispiel anfangen zu arbeiten, um endlich eigenes Geld zu verdienen und unabhängig von den Eltern zu werden. Man könnte aber auch ein freiwilliges soziales Jahr einlegen oder sich künstlerisch versuchen und sich so selbst ein bisschen zu verwirklichen. Hoch im Kurs steht auch der Gang ins Ausland: neue Kulturen, fremde Sprachen, die eigenen Grenzen erweitern. Oder man macht es wie Ole (Jacob Matschenz) und macht … nichts.
Nun ist auch die geduldigste Mama irgendwann der Ansicht, das Hotel für den nicht zahlenden Dauergast schließen zu müssen. Und so geben Oles Eltern dem Filius einen sanften aber doch bestimmten Tritt in den Hintern, der den Frühzwanziger aus der Provinz nach Berlin befördert. Ein Praktikum soll er dort machen, bei einem Kalenderverlag endlich selbständiger werden, nicht den lieben langen Tag nur mit seinen Kumpels Ronny (Kostja Ullmann) und Marcel (Pit Bukowski) Moped fahren. Eine Unterkunft hat er auch schon bei seinem Cousin Rokko (Klaas Heufer-Umlauf). Und Gelegenheiten, selbstständiger zu werden, gibt es ebenfalls mehr als genug: Er verliebt sich in die verkorkste Fritzi (Jytte-Merle Böhrnsen) und muss zudem den seit Jahrzehnten andauernden Streit zwischen seinem Vater (Markus Hering) und seinem Onkel (Tobias Moretti) schlichten.
Ein Landei verschlägt es in die Großstadt und muss sich dort zurechtfinden – das birgt quasi automatisch amüsantes Konfliktmaterial. Tatsächlich ist dieser Kontrast aber nur bedingt Thema hier. Das eigentliche Praktikum kommt kaum noch vor, auch Berlin als solches spielt keine große Rolle. Wenn sich der Gegensatz entlädt, dann vor allem zwischen dem naiven Ole und der flatterhaften Fritzi, zum Teil auch mit Großmaul Rokko. Überhaupt stehen hier mehr die einzelnen Charaktere und ihr Zwischenspiel im Vordergrund. Das zeigt sich besonders beim erbitterten Familienzwist. Der ist zwar ein bisschen dick aufgetragen, bietet aber die Gelegenheit, die leicht kauzigen Figuren aufspielen zu lassen und hat auch schöne leisere Momente zu bieten.
Im Gegensatz dazu entspricht der Handlungsstrang um die aufkeimende, nicht ganz einfache Romanze zwischen Ole und Fritzi eher dem Standard. Einige witzige Szenen gibt es zu sehen, ansonsten weiß man eigentlich von Beginn, wie sich die Begegnung weiterentwickeln wird. Wem Romantic Comedies nicht gefallen, wird hier also nur wenig Anlass finden, seine Meinung zu ändern. Selbst die Musik ist wie so oft ein bisschen aufdringlich geraten. Da hätte man vielleicht ein bisschen mehr Mut oder Eigenständigkeit zeigen dürfen. Umgekehrt bedeutet das Zurückgreifen auf Bewährtes aber auch, dass Fans des Genres hier nichts falsch machen.
Wem also Filme wie Keinohrhasen gefallen haben, kann auch Grossstadtklein eine Chance geben – selbst wenn er vielleicht nicht die ganz großen Namen vorweisen kann. Tatsächlich liefert Tobias Wiemann als Regisseur und Drehbuchautor hier sein Langfilmdebüt ab, erledigt seine Aufgabe aber schon ziemlich routiniert. Das gilt ebenso für Klaas Heufer-Umlauf, der als Teil von Joko & Klaas wieder etwas schmerzlich vermisste Anarchie ins Fernsehen brachte und hier seine erste große Filmrolle spielt. Dabei stellt er sich gar nicht mal schlecht an und die erfahrenen Schauspieler Matschenz, Moretti und Hering holen aus ihren begrenzten Rollen ohnehin raus, was geht. Dass sie zu mehr in der Lage wären, als das Drehbuch hergibt, ist klar, das haben sie anderweitig schon bewiesen.
Und das ist vermutlich der größte Vorwurf, den man Grossstadtklein machen kann: Er bleibt unter seinen Möglichkeiten. Statt mit seinem Debüt eine eigene Spur zu hinterlassen und aus der Masse hervorzustechen, wirft Wiemann wahllos viele bewährte Elemente zusammen, mit dem unbedingten Willen zu gefallen. Zurück bleibt ein Film, der dann auch gefällig ist, den man für seine Figuren und seine Schauspieler schon irgendwie mag, der am Ende aber kein eigenes Gesicht hat. Schade um die vertane Chance.
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