(„Sweetwater“ directed by Logan Miller, 2013)
Schon komisch. Da kommt vor rund einem Jahr mit Django Unchained ein Film aus dem Nischengenre Western in die Kinos und schlägt weltweit ein wie eine Bombe. Und was macht Hollywood, sonst nie darum verlegen Trends auszuschlachten und sich selbst so oft zu kopieren, bis man vergessen hat, was eigentlich das Original war? Nichts. Abgesehen von Lone Ranger traute sich keine Großproduktion mehr in die Lichtspielhäuser. Und der Disneyfilm hatte es dann auch vielmehr auf das Publikum von Piraten der Karibik abgesehen.
Komisch, aber vielleicht doch verständlich. Denn mal ehrlich: Es war sicher nicht das Genre, die knapp 4,5 Millionen Menschen hierzulande dazu veranlasste, sich Django Unchained auf der großen Leinwand anzuschauen. Dann schon eher Tarantinos üblicher Mix aus überdrehter Gewalt und witzigen Sprüchen. Und natürlich der Hype.
Der fehlt bei Sweetwater – Rache ist süß völlig. Ins Kino schaffte es der amerikanische Streifen deshalb bei uns nicht, lediglich beim Fantasy Filmfest war er vorab zu sehen. Für einen Vertreter seines Genres ungewöhnlich, es ins horrorlastige Festival zu schaffen, in dem Fall aber gar nicht so verkehrt. Denn auch wenn hier im Laufe des Films einige überspitzte Elemente auf einen warten, ist er insgesamt doch düsterer als Tarantinos Spaßwestern. Auffallend ist beispielsweise das fast völlig Fehlen von Musik. Stattdessen wird hier nur auf Geräusche vertraut. Und Stille, viel Stille. Und selbst wenn sich doch einmal ein Score in den Hintergrund schleicht, ist er eher verfremdet, bedrohlich.
Bedrohungen gibt es auch inhaltlich mehr als genug. Eigentlich wünschen sich Miguel (Eduardo Noriega) und seine Frau Sarah (January Jones) nichts mehr, als in Ruhe gelassen zu werden. Das sollte nicht schwierig sein, lebt das Paar doch in den kargen Steppen von Arizonas. Meilenweit hat es dort nichts als trockene Böden, vereinzelt mal ein Baum und viel viel Sonne. Wenn der einzige Nachbar auch noch ein Geistlicher ist, sollte der Idylle eigentlich nichts im Weg stehen.
Außer wenn der Geistliche der selbsternannte Prophet Josiah (Jason Isaacs) ist: borniert, selbstgerecht, gewalttätig. Als dann auch noch der nicht minder wahnsinnige Sheriff Jackson (Ed Harris) auftaucht, um das Verschwinden von zwei Männern aufzuklären, ist es bald vorbei mit der Ruhe. Stattdessen wird das Niemandsland bald tiefrot gefärbt von all den Menschen, die den drei Parteien zum Opfer fallen.
Als „Django Unchained für Arme“ wird Sweetwater von manchen geschmäht. Und auf den ersten Blick scheint der kleine Film auch von allem weniger zu bieten als das erfolgreiche Vorbild: weniger Gewalt, weniger Humor, weniger Stars. Aber bedeutet das auch weniger Spaß? Wie man’s nimmt. Wem Tarantinos Version zu viel Übertreibung und Klamauk war, findet hier eine etwas zurückgenommenere Alternative. Ganz so dreckig wie zu seligen Spaghettiwesternzeiten geht es hier zwar nicht zu, vom cleanen Bonbonlook wie im Blockbuster ist man hier aber dann doch noch ein gutes Stück entfernt.
Auf der Plusseite stehen zudem vor allem die Figuren. Ed Harris als exzentrischer „Gesetzeshüter“ ist eine Wucht und auch der abstoßende Geistliche ist eine Stütze des Films. Im Vergleich dazu verblasst Titelheldin Sarah natürlich, wenn sie später aber stark geschminkt und im schicken Kleid einen Rachefeldzug startet, ist das aus mehreren Gründen ein Guilty Pleasure. Der ganz große Knaller ist Sweetwater sicher nicht, aber gerade die Kombination aus beklemmender, düsterer Atmosphäre und sonderbaren Figuren hat ihren eigenen Reiz. Außerdem ist der Indiewestern mit knapp anderthalb Stunden schön kurz gehalten. Anders als Tarantino, dessen Ego sich nicht mit Kürzungen verträgt, strapaziert Logan Miller bei seiner zweiten Regiearbeit also nicht die Geduld seiner Zuschauer. Allerdings sollte man sich vorher auf einige recht ruhige Passagen einstellen, in denen Miller seinen schönen Bildern Platz zur Wirkung lässt, ohne dass drumherum viel passiert.
Sweetwater – Rache ist süß ist seit 16. Januar auf DVD und Blu-ray erhältlich
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