American Hustle

American Hustle

(„American Hustle“ directed by David O. Russell, 2013)

AH_poster 04finalglobes02_Layout 1Same procedure as every year: Schon Wochen, bevor die Kandidaten bekanntgegeben werden, wird kräftig geraten, spekuliert, vielleicht sogar gewettet, wer dieses Jahr die größten Oscar-Chancen hat. Manche Jahrgänge warten dabei mit überraschenden Nominierungen auf, etwa letztes Jahr, als – zumindest theoretisch – Beasts of the Southern Wild und Liebe im Rennen um die wichtigste Filmauszeichnung waren. 2014 ist keiner dieser Jahrgänge. Abgesehen von vielleicht Nebraska standen die drei Favoriten schon lange im Voraus fest: das Sklavendrama 12 Years A Slave, das Science-Fiction-Abenteuer Gravity und eben auch die Krimikomödie American Hustle. Alle drei wurden von Kritikern gefeiert und spielten ordentlich Geld in die Kasse – eine Kombination, die immer gerne mit dem ein oder anderen Oscar belohnt wird.

Für American Hustle sprach dabei noch ein anderes Kriterium: David O. Russells letzter Film Silver Linings gehörte 2013 mit acht Nominierungen zu den ganz großen Favoriten, nahm aber nur eine Statue mit nach Hause. Und Hollywood vergisst so etwas nicht. Dass dem amerikanischen Regisseur aber das zweite Jahr in Folge das seltene Kunststück gelang, mit einem Film für alle vier Darstellerkategorien nominiert zu werden, das ist schon bemerkenswert. Da sieht man auch darüber hinweg, dass hierfür ziemlich getrickst wurde. Nicht nur, dass Russell gleich drei seiner vier nominierten Schauspielschützlinge auch dieses Mal eine Rolle gab (Bradley Cooper, Jennifer Lawrence und Robert DeNiro), man hatte auch die Chuzpe, Coopers Rolle als Nebendarsteller zu deklarieren. Aber was tut man nicht alles, um die Oscarchancen zu erhöhen? Und dass der Jury derart willkürliche Einteilungen reichlich egal ist, durfte sie letztes Jahr ja auch schon bei Django Unchained beweisen, als Waltz für die beste Nebenrolle ausgezeichnet wurde.American Hustle Szene 1

Um Tricksereien geht es auch in dem Film: Irving Rosenfeld (Christian Bale) ist ein nicht sonderlich ambitionierter, dafür aber konstant erfolgreicher Betrüger. Offiziell ist er Besitzer einer gut gehenden Waschsalonkette. Doch das große Geld macht er mit gefälschten Kunstwerken und Gebühren für nicht vergebene Kredite. Damit fährt er ganz gut, bis er und seine Geschäfts- und Bettpartnerin Sydney Prosser (Amy Adams) dem FBI-Agenten Richie DiMaso (Bradley Cooper) in die Falle gehen. Der ist bereit, die beiden laufen zu lassen, wenn sie ihm einen größeren Fisch ans Land ziehen: Bürgermeister Carmine Polito (Jeremy Renner). Der setzt sich zwar selbstlos für seine Stadt ein, hat aber einen Hang zur Korruption. Ausgerechnet ihn zu überführen, wäre für DiMaso damit der Freischein zu einer großen Karriere. Womit der ambitionierte Agent jedoch nicht rechnet: Je tiefer er bohrt, umso mehr Politiker geraten in den Sog der Affäre. Und auch die Mafia wäre gerne bei dem fingierten Geschäft dabei.

Korrupte Politiker, FBI, Mafia, das schreit geradezu nach einem Thriller. Russell entschied sich aber, aus dem Stoff eine grellbunte Komödie zu machen, wenn nicht sogar eine Satire. Egal, auf welcher Seite des Gesetzes wir uns befinden, hier bekommen alle Großen ihr Fett weg, Gewinner ist der kleine Mann auf der Straße. Insofern wundert es nicht, dass der Film in den USA bereits knapp 200 Millionen eingespielt hat: Wenn man sich über die da oben lustig macht, da ist das obrigkeitsmüde Publikum doch gerne dabei. Hinzu kommt, dass der Film lose auf der FBI-Operation „Abscam“ von 1978 basiert. American Hustle in den 70ern spielen zu lassen, erlaubt Russell, seine Darsteller in die Klamotten von damals zu stecken und fürchterliche Frisuren zu tragen – allein das garantiert, bei den Zuschauern Lacher zu provozieren.American Hustle Szene 2

Doch wie schon Silver Linings lebt auch American Hustle weniger von Geschichte oder Ausstattung, sondern von seinen verschrobenen Figuren und ihren Schauspielern. Jennifer Lawrence als Rosalyn, die White-Trash-Gattin von Irving, ist eine Wucht, ebenso Amy Adams, die nach vier erfolglosen Nominierungen zur besten Nebendarstellerin (darunter letztes Jahr für The Master). dieses Mal sogar auf den großen Preis hoffen darf. Coopers Rolle ist zwar nicht ganz so dankbar wie die in Silver Linings, macht aber immerhin Spaß. Und Christian Bale ist Christian Bale, nur diesmal mit Dickbauch und schlecht sitzendem Toupet. Das ist so gewollt over the top und karikierend, dass die vereinzelt angedeutete Emotionalität erst gar nicht die Luft bekommt, an Tiefe oder Glaubwürdigkeit zu gewinnen.

Doch der größte Vorwurf, den man American Hustle machen kann, ist nicht der Fokus auf das Komödiantische, sondern wie offensichtlich hier auf den großen Erfolg hingearbeitet wurde. Inhaltlich ging man kein großes Risiko ein und auch bei der Besetzung scheute Russel Experimente (mit Cooper und Lawrence arbeitete er in Silver Linings zusammen, Bale und Adams waren bei seinem The Fighter dabei). Auf der einen Seite ging der Plan auf, zumal der Regisseur auch dieses Mal sein Ensemble zu Bestleistungen antreibt. Gleichzeitig ist die Krimikomödie aber auch irgendwie zu glatt, zu berechnend, zu sicher, die Geschichte nicht annähernd so komplex, wie sie tut. Für den Oscar könnte das dieses Mal reichen, Argo war letztes Jahr schließlich ein ganz ähnlicher Konsenskandidat: historisch, absurd, schmerzfrei. Und unterhaltsam ist American Hustle ja zweifelsfrei. Mehr dann aber auch nicht.

American Hustle läuft ab 13. Februar im Kino



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Verschrobene Figuren und erstklassige Schauspieler – wie schon in Silver Linings setzt David O. Russell auf diese beiden Erfolgselemente und bastelt daraus einen unterhaltsamen Film. Für mehr reicht es aber nicht, dafür ist die Geschichte zu sehr Nebenwerk und die Krimikomödie trotz der satirischen Elemente dann doch zu glatt.
7
von 10