(„Drei Stunden“ directed by Boris Kunz, 2012)
Schon einmal in der Situation gewesen, dass die Frau deines Herzens kurz davor ist, für immer deine Stadt zu verlassen, nichts ahnend, was du für sie empfindest? Dass du ihr hinterherfährst, am Bahnsteig deine ewige Liebe offenbarst, sie daraufhin in deine (mehr oder weniger) starken Arme plumpst und für immer bei dir bleibt? Nein? Macht nichts, das dürfte kaum jemand. So sehr einen Hollywood auch davon überzeugen möchte, solche Last-Minute-Happy-Ends sind in etwa so wahrscheinlich wie Regierungswechsel in Bayern. Ein Umstand, über den sich Boris Kunz schon zur Abizeit gewundert hat.
Und so präsentiert er uns in seinem ersten Langfilm Drei Stunden eine etwas andere Version der altbekannten Geschichte. Auch hier stehen sich zwei Menschen gegenüber, die ganz offensichtlich füreinander bestimmt sind. Offensichtlich für das Umfeld, die Freunde, die Familie. Nur nicht für sich selbst. Doch das könnte auch damit zusammenhängen, dass beide viel zu sehr damit beschäftigt sind, ihren jeweiligen Träumen hinterherzulaufen. Martin (Nicholas Reinke) arbeitet seit Jahren an seinem großen Theaterstück, um fliegende Piraten geht es da und Luftschlösser, eine Geschichte, die ebenso entrückt ist wie er selbst. Isabel (Claudia Eisinger) hingegen hat den Kampf mit der Realität aufgenommen. Vor allem der sorglose Umgang mit genmanipulierter Nahrung ist ihr ein Dorn im Auge.
Wenn zwei derartige Träumer aufeinandertreffen, die zwar sehr verschiedene, aber nicht minder ambitionierte Ziele verfolgen, wundert es nicht, dass sie vor lauter Fantasieren das Naheliegendste nicht sehen: Aus der vermeintlichen Freundschaft ist längst mehr geworden. Doch erst als Isabel kurz davor steht, für drei Jahre nach Mali zu fahren, um ihren Einsatz für eine bessere Welt in Afrika fortzusetzen, fasst sich Martin ein Herz. Statt einem freudestrahlenden „Ja“ pfeffert sie ihm ein verärgertes „Was fällt dir ein?“ entgegen. Nicht die Gefühle stören sie, sondern dass ihr langjähriger Kumpel sie erst dann gesteht, als sie sich längst für eine andere Zukunft entschieden hat. Eine ohne Martin. Doch der Flieger hat Verspätung und so haben die beiden noch einmal die Gelegenheit, in drei Stunden das aufzuarbeiten, was sie vorher in mehreren Jahren nicht geschafft haben.
Ob aus den USA (Silver Linings), Frankreich (Paris-Manhattan) und selbst Skandinavien (Die Wahrheit über Männer) – die weltweite Flut an Liebeskomödien scheint nicht abebben zu wollen. Und auch Deutschland hat nach Kassenschlagern wie Keinohrhasen oder Schlussmacher den humoristischen Kampf der Geschlechter für sich entdeckt. Entsprechend schwierig ist es da für Newcomer, sich gegen die große Masse durchzusetzen. Boris Kunz setzt da bei seinem Debüt neben der originellen Abwandlung der altbekannten Abschiedssequenz – die hier mehr Anfang denn Ende ist – vor allem auf seine beiden sympathischen und doch so grundverschiedenen Protagonisten.
Aber auch eine weitere „Figur“ spielt, wenn auch im Hintergrund, immer mit: München. Anders als bei den meisten deutschen Genrevertretern wurde der Film bewusst nicht nach Berlin, sondern in die bayerische Landeshauptstadt verlegt. Wer aus München ist, sollte daher den einen oder anderen Ort wiedererkennen, ohne dass dabei zu sehr auf typische Allgemeinplätze zurückgegriffen wurde. Und noch etwas anderes, sollte den dortigen Zuschauern bekannt vorkommen: eine Stimme. Genauer stammt der Soundtrack von Rosalie und Wanda. Die Musik der Münchner Singersongwriterin – übrigens eine alte Klassenkameradin von Kunz – hebt sich mit ihrem charmanten Folkpop wohltuend von den üblichen Powerballaden ab, mit denen man in diesem Genre sonst meist zugedröhnt wird. Charmant ist dann auch der Film als solcher. Er macht zwar nicht alles anders als die Konkurrenz und wer mit Liebeskomödien nicht warm wird, kann auch diese hier ignorieren. Alle anderen erwartet aber mit Drei Stunden nette Unterhaltung, die pünktlich zum Valentinstag jetzt auch auf DVD erscheint.
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