(„Geld her oder Autsch’n!“ directed by René Marik and Johan Robin, 2013)
Tanzende Babys? Ein Typ, der das Fressverhalten von Tieren nachmacht? YouTube hat schon die kuriosesten Hits hervorgebracht. Aber 30 Millionen Mal einem erwachsenen Mann zuzuschauen, der mit Puppen spielt, das ist selbst für das notorisch sonderliche Sammelsurium des Videoportals außergewöhnlich.
Außergewöhnlich war aber auch, was dieser Mann mit seinen Puppen veranstaltete. Schon immer fand René Marik die Vorstellung befremdlich, Puppenspiel sei eine reine Angelegenheit für Kinder. Und so waren dann auch seine Figuren eher nicht aus dem Material, aus dem Kinderträume gemacht werden: ein Maulwurf, den wohl nicht einmal seine eigene Mutter versteht, der koksende Eisbär Kalle mit dem starken Berliner Akzent und der blasierte Froschsnob Falkenhorst. Ganz so heftig wie Peter Jacksons verkommene Kreaturen in Meet the Feebles sind Mariks Protagonisten zwar nicht, pädagogisch Wertvolles à la Sesamstraße war bei ihm aber ebenso wenig zu sehen. Und auch die absurden Situationen und parodistischen Anspielungen an Märchen oder Filmen waren einfach nicht für jüngere Zuschauer gedacht. Doch bei den Erwachsenen kam der anarchische Humor dafür umso besser an, der sprachbehinderte Maulwurf hat auf Facebook über eine halbe Million Fans.
Marik konnte mit dem Rummel um ihn und seine Figuren jedoch so gar nichts anfangen und schockte seine Anhänger mit der Ankündigung, nach zwei Programmen sei Schluss mit den Kultpuppen. Nur ein letztes Mal sollten die drei noch einmal zu sehen sein, und das sogar in einem Kinofilm. Lange hatte der diplomierte Puppenspieler an Geld her oder Autsch’n! gearbeitet, dass die Fertigstellung mit dem Ende seiner Bühnenshow zusammenfiel zwar nur Zufall, aber doch ein passender.
Aber kann das überhaupt funktionieren, die bisherigen kurzen Nummern auf einen ganzen Film auszuweiten? Jackass: Bad Grandpa versuchte kürzlich ebenfalls, ein aus einzelnen Sketchen bestehendes Konzept in einen narrativen Kontext zu packen. Ganz geglückt war der nicht, dafür war die Rahmenhandlung doch zu dünn und eindeutig ein Afterthought zu den vielen unzusammenhängenden Gags. Geld her oder Autsch’n! geht hier den umgekehrten Weg: Geschichte zuerst, Witze danach.
Und die Geschichte geht so: Es war einmal ein Ensemble aus Handpuppen, das sich aus den etablierten Größen ihres Metiers zusammensetze. Ob Kasper oder die Großmutter, Seppel oder das Krokodil – jeder kennt sie, jeder liebt … nein, das stimmt nicht. Lieben tut die Truppe schon lange keiner mehr, aufgrund der konstant ausbleibenden Zuschauer steht ihr „Theater der Freude“ kurz vor dem Aus. Die einzige Hoffnung besteht darin, Kalle – Star des Comedy-Theaters „Cabaret Toujour“ – zu entführen und Lösegeld zu erpressen. Der erste Schritt klappt auch tatsächlich, nur beim zweiten hapert es ein wenig. Dafür fehlt es den Verbrechern-aus-Not dann doch an Erfahrung. Und zu allem Unglück mischt bald auch der Gauner Spec (Christoph Maria Herbst) mit, sodass Operation Eisbärklau komplett aus dem Ruder läuft.
Für Fans bedeutet das, dass ihnen hier ungewohnt viel Handlung geboten wird. Im Grunde ist Geld her oder Autsch’n! nämlich eine klassische Krimikomödie inklusive unfähiger Verbrecher, fatalen Zufällen und viel viel Chaos. Das Besondere ist nur, dass hier rund die Hälfte aller Figuren tatsächlich eben Figuren sind. Und wenn ein Plüschbär Moped fährt, eine cholerische Puppe Erpresser spielt oder ein Mann sich eine Gefängniszelle mit einem Frosch und einem Maulwurf teilen muss, das ist schon absurder Humor mit automatischer Zielerfassung. Dadurch erhält der Film auch seinen Reiz, mit normalen Schauspielern wäre kaum eine Szene wirklich witzig gewesen.
Wer mit den Erwartungen der kurzen YouTube-Videos an den Film geht, könnte dennoch enttäuscht sein. Nicht nur, dass hier die Gagdichte deutlich geringer ist, der vermeintliche Star des Films – Maulwurfn – hat in seinem Leinwanddebüt streng genommen nur eine Nebenrolle. Vielmehr steht Kalle im Mittelpunkt und sein Verhältnis zu den anderen Puppen. Und wenn auch das seinen Charme hat, wäre es nett gewesen, die anderen nicht ganz so an den Rand zu drängen. Zumal, das hat Marik mehrfach betont, dies der letzte Auftritt seiner Schar war. Und wer das furiose und toll inszenierte Finale gesehen hat, inklusive der anschließenden Szenen, der ahnt, dass der eigenwillige Puppenspieler das auch so gemeint hat.
Geld her oder Autsch’n! ist seit 21. Februar auf DVD und Blu-ray erhältlich
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