(„Moebius“ directed by Kim Ki-duk, 2013)
Filme stehen und fallen mit Dialogen. Sie müssen schlicht und schnell verständlich sein, aber doch über Tiefe verfügen. Authentisch wirken, ohne banal zu sein. Und dabei am besten auch noch Zitate für die Ewigkeit hergeben. Schwierig? Schwierig. So mancher Streifen ist allein daran schon gescheitert, dass er nicht wusste, welche Worte er seinen Helden in den Mund legen sollte. Das wusste Kim Ki-duk schon, weswegen seine Herangehensweise hier umso bemerkenswerter ist: Er verzichtet völlig auf Dialoge. Ein Neo-Stummfilm à la The Artist oder Blancanieves ist Moebius, die Lust, das Messer jedoch nicht, denn Geräusche gibt es ständig: klirrendes Glas, eine Tür, die knarrt, Straßenlärm. Und auch die Menschen sind nicht völlig stumm; je nach Situation hören wir sie stöhnen, grunzen oder auch mal schreien. Nur sprechen, das tut hier keiner.
Und das ist nicht einmal nötig, denn der Regisseur aus Südkorea versteht es, bei seinem 19. Film alles Gesagte, alles Sagbare, zu zeigen oder die Bilder zumindest im Kopfkino zu beschwören – und das ist wie so oft bei ihm nur schwer zu ertragen. War bei seinem letzten Film Pieta die Rache einer Mutter die Antriebsfeder einer blutigen und brutalen Gewaltodyssee, steht hier eine betrogene Ehefrau (Lee Eun-woo) am Anfang. Die will sich bei ihrem untreuen Mann (Cho Jae-Hyeon) rächen, indem sie sein Tatwerkzeug – der Penis – ganz einfach abschneidet. Als der sich erfolgreich wehrt, kastriert sie stattdessen den Sohn (Lee Eun-woo). Der darf sich in der Folgezeit nicht nur von allen anderen ob seines fehlenden Genitales verspotten lassen, sondern auch mit der Frage auseinandersetzen: Und wie krieg ich jetzt meinen Orgasmus?
Vor allem Letzteres rückt immer mehr in den Vordergrund, als der Vater – getrieben von Schuldgefühlen – bei seinen Internetrecherchen erfährt, dass das Empfinden von Lust und von Schmerz einander recht ähnlich ist. So ähnlich, dass Letzteres sogar bis zum Orgasmus führen kann. Wer Ki-duk kennt, ahnt schon, worauf das hinausläuft: eine fortlaufende Verknüpfung von Gewalt und Sex, bei der oft nicht klar ist, wo das eine aufhört und das andere beginnt. Obwohl der Gewaltaspekt selten explizit wird und mehr im Off stattfindet, reicht schon die Vorstellung aus, immer wieder unruhig auf dem Sofa hin- und herzurutschen. Was den Verstörungsfaktor angeht, steht Moebius, die Lust, das Messer den früheren Filmen des kontroversen Regisseurs also in nichts nach.
Einen vergleichbaren emotionalen Sog wie zuletzt bei Pieta löst die Sex-Gewalt-Melange aber nicht aus. Dort war bei aller Übertreibung immer menschliches Leid greifbar. Wenn hier Kim Ki-duk aber mit der Zeit immer mehr Symbolik einbaut – der Sohn lässt sich später den Penis des Vaters transplantieren – werden Sextherapeuten und Freudanhänger ihren Spaß haben, der Rest bleibt ein wenig außen vor. Gerade auch weil keiner der Protagonisten je eine Stimme erhält, ja nicht mal einen Namen, ist Moebius, die Lust, das Messer mehr eine allgemeine Überlegung über Sexualität und Männlichkeit, weniger konkretes Schicksal. Und auch wenn sein neuester Film Letzteres vermutlich gar nicht sein sollte, fehlt einem als Zuschauer irgendwo der Bezug. Denn so interessant die vielen grotesken Situationen sein mögen, manchmal sogar richtig komisch, auf Dauer ist das minimalistische Psychodrama dann doch irgendwie einfach nur ermüdend.
Moebius, die Lust, das Messer ist seit 18. Februar auf DVD und Blu-ray erhältlich
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