(„Mr. Morgan’s Last Love“ directed by Sandra Nettelbeck, 2013)
„Wenn man Glück hat, trifft man jemanden, der all die Liebe haben will, die man geben kann. Und wenn man diesen Menschen verliert, denkt man, alles andere müsste ebenfalls enden. Aber alles andere geht einfach weiter.“
Und Matthew Morgan (Michael Caine)? Der ist immer noch da, vergessen von der Zeit, vergessen von den Menschen, vergessen von sich selbst, sitzt in seiner Pariser Wohnung und wartet.
Wartet.
Seit dem Tod seiner Frau ist ihm jede Freude am Leben abhanden gekommen. „Ich habe aufgehört, das Leben zu lieben“, wie er behauptet. Was geblieben ist, ist Routine. Routine beim Essen. Routine bei den wöchentlichen Treffen mit seiner Tandempartnerin.
Bis der Amerikaner eines Tages im Bus zufällig die Bekanntschaft von Pauline (Clémence Poésy) macht. Die ist nicht nur hübsch und jung, sondern erinnert den Witwer auch an seine verstorbene Frau. Und das ist eine Kombination, zu der Matthew nicht nein sagen kann. Er beginnt wieder zu leben, besucht einen Tanzkurs, rasiert sich sogar wieder. Seine Kinder Miles (Justin Kirk) und Karen (Gillian Anderson) teilen seine Begeisterung indes nicht so ganz und vermuten hinter der jungen Dame eine raffgierige Erbschleicherin. Als es dadurch zum Streit bei den Morgans kommt, ist das für beide Seiten ein willkommener Anlass, um auch die vielen anderen unausgesprochenen Verletzungen und Vorwürfe endlich auf den Tisch zu bringen.
Ein Film, der im Titel „Last Love“ trägt? Da meldet sich doch der Kitschsensor zu Wort. Und wenn es sich dann noch um eine Romanverfilmung handelt – Vorlage ist das Buch „Die letzte Liebe des Monsieur Armand“ von Françoise Dorner – bei der aus dem französischen Protagonisten ein Amerikaner gemacht wird, dann schrillen die Alarmglocken besonders laut. Andererseits, ein Film mit Michael Caine in der Hauptrolle kann so schlecht nicht sein. Und das bestätigt sich bei aller Skepsis dann auch bei Mr. Morgan’s Last Love.
Zunächst führt einen die deutsche Regisseurin und Drehbuchautorin Sandra Nettelbeck ein bisschen in die Irre, tut so, als wäre ihr neuester Film trotz trauriger Ausgangslage eine Wohlfühlkomödie. Ein Amerikaner in Paris, das bringt immer mal wieder kleine nette Culture-Clash-Momente mit sich. Auch sonst baut sie hier und da amüsante Szenen und Dialoge ein.
Umso überraschender, wenn der Ton sich vom Märchenhaften zum Düsteren wandelt. Nicht mehr die Freundschaft zwischen Matthew und Pauline steht im Vordergrund, sondern die Überwerfungen innerhalb der Familie. Vor allem das gestörte Verhältnis zwischen Vater und Sohn rückt zunehmend in den Fokus, die Aufarbeitung von all dem, was die ganzen Jahre schief gegangen ist. Originell sind die Auseinandersetzungen sicher nicht, und auch nicht sonderlich tiefschürfend. Aber sie sind so gut gespielt, dass das am Ende ziemlich egal ist.
Dass Caine hier brillieren würde, stand ja schon vorab mehr oder weniger außer Frage. Anfangs ein liebenswürdiger älterer Mann gibt er nach und nach den Blick auf die Risse in der Fassade frei, auf sein Versagen und seine Unfähigkeit als Vater. Überraschender ist jedoch, dass Justin Kirk – in erster Linie durch die Fernsehserie Weeds bekannt – ihm durchaus ebenbürtig entgegentreten kann und die beiden so für einige überaus intensive Auseinandersetzungen sorgen. Andersons Rolle ist im Vergleich dazu unbedeutend, aber ihr kurze Auftritt als resolutes Alphaweibchen Karen macht Spaß.
Enttäuschend ist hingegen, dass Pauline, immerhin die zweite Hauptrolle des Films, so wenig Kontur bekommt. Etwas naiv ist sie, gutherzig, versucht sogar, Vater und Sohn zu versöhnen. Aber sie selbst? „Ich habe auch meine Probleme“, sagt sie irgendwann zu Matthew und vergießt dabei ein paar Tränen. Welche das sind, darüber schweigt sich der Film aber aus. In der ersten Hälfte von Mr. Morgan’s Last Love macht das wenig, denn die Chemie zwischen Caine und Poésy stimmt und wir dürfen einige richtig rührende Szenen zwischen den beiden sehen. Später aber gehört die Bühne dann aber doch eindeutig den beiden Männern.
Mr. Morgan’s Last Love ist seit 31. Januar auf DVD und Blu-ray erhältlich
(Anzeige)