Scorpion – Brother. Skinhead. Fighter.

Scorpion – Brother. Skinhead. Fighter.

(„Alacrán enamorado“ directed by Santiago Zannou, 2013)

Scorpion – Brother. Skinhead. Fighter.Deutschland blamiert sich mit dem NSU-Prozess bis auf die Knochen, in Frankreich pöbeln seit Jahren ungehemmt die Le Pens, die Niederlande haben ihren Geert Wilders und die Schweiz hat unlängst klargemacht, dass die Mitglieder anderer Staaten bitte schön draußen zu bleiben haben – dass Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhetze in Mitteleuropa einfach nicht totzukriegen ist, durften wir in den letzten Jahren immer mal wieder beobachten. Unbemerkt davon gibt es aber auch in Südeuropa eine florierende Naziszene, wenn es nach Scorpion – Brother. Skinhead. Fighter. geht. Angeführt von dem charismatischen Solís (Javier Bardem) propagiert eine Bruderschaft den Kampf gegen alles, was anders ist. Unter dem Deckmantel, dass unsere Mütter wieder unbehelligt zum Bäcker gehen können müssen – ein beliebtes Bild bei Stammtischdiskussionen – schlagen sie alles zusammen, was auch nur ansatzweise anders aussieht.

Julián (Álex Gonzáles) und sein bester Freund Luis (Miguel Ángel Silvestre) gehören ebenfalls dieser Gruppierung an und haben ebenso wenig Vorbehalte, wenn es um körperliche Gewalt gegenüber anderen geht. Als Julián eines Tages einen Boxclub entdeckt, der von Carlomonte (Carlos Bardem) geleitet wird, beschließt er diesem beizutreten, um seiner Kraft eine Form zu geben. Carlomonte ist zuerst wenig begeistert, gibt dem Heißsporn aber eine Chance und seinen Kämpfernamen Skorpion. Es ist aber nicht allein sportlicher Ehrgeiz, der Julián antreibt: Bei seinem ersten Kampf unterliegt er dem farbigen Franky (Dosel Kamana Gombe), was mit seinem rechten Gedankengut nicht zu vereinbaren ist. Ihn am Ende schlagen zu können, darauf kommt es an. Doch mit der Zeit und unter dem Einfluss von Alyssa (Judith Diakhate) beginnt er, seine Einstellungen zu überdenken – zum Missfallen von Luis und seinen anderen „Brüdern“.Scorpion – Brother. Skinhead. Fighter. Szene 1

Freunde von Boxfilmen haben in dem noch jungen Jahr nach Zwei vom alten Schlag und Tatanka jetzt schon die dritte Gelegenheit, in den Ring zu steigen. Mit der Boxkomödie hat Scorpion nur wenig gemeinsam, der Vergleich mit dem zweiten Film liegt hingegen nahe. In beiden Fällen entdeckt ein junger Mann seine Leidenschaft fürs Boxen und versucht später, einer finsteren Organisation zu entkommen – dort die Camorra, hier eine Nazivereinigung. Was das Boxen an sich angeht, zieht der spanische Beitrag Scorpion gegenüber den eindrucksvollen, rasant geschnittenen Kämpfen des italienischen Kollegen jedoch eindeutig den Kürzeren.

Dafür punktet Scorpion bei der Geschichte, die auf einem Roman von Carlos Bardem, dem älteren Bruder von Javier, basiert. Anders als bei Tatanka ist die Mischung aus Sport und Drama hier stimmig, der Nationalsozialismus wirkt weniger aufgesetzt als die Verbrecherbanden und ist zudem gut inszeniert. Vor allem der Einstieg, wenn wir der fanatischen Gruppe das erste Mal begegnen und Zeuge ihrer Gewaltexzesse werden, ist geradezu gespenstisch geworden. An der Stelle steht der Film dem kontroversen Klassiker American History X nicht nach. Einen ähnlich starken Eindruck hinterlässt der Rest des Dramas nicht, dafür ist es ein bisschen zu einfallslos und oberflächlich.

Scorpion – Brother. Skinhead. Fighter. Szene 2

Besonders für die innere Entwicklung von Julián hätte sich Regisseur Santiago Zannou ruhig mehr Zeit nehmen dürfen. So aber fehlt dem Sinneswandel ein bisschen die Glaubwürdigkeit, Scorpion lässt uns am Innenleben nicht wirklich teilhaben. Vielleicht reichen dafür auch einfach die Schauspielkünste von Alex González nicht aus, der hier nicht mehr als Durchschnitt abliefert. Aber sie sind zumindest gut genug, um den Film nicht ernsthaft nach unten zu ziehen, denn solide ist der trotz der Schwächen allemal.

Scorpion – Brother. Skinhead. Fighter. ist seit 14. Februar auf DVD und Blu-ray erhältlich



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Wer einen reinen Boxfilm sucht, wird an anderer Stelle besser bedient. In Verbindung mit den teils gut inszenierten Naziszenen ist Scorpion – Brother. Skinhead. Fighter. aber ein solides, wenn auch etwas oberflächliches Drama.
6
von 10