(„Banklady“ directed by Christian Alvart, 2013)
Deutschland, Mitte der 60er. Die sexuelle Revolution lässt noch auf sich warten, die Studentenkrawalle ebenso. Selbstverwirklichung von Frauen? Eine putzige Vorstellung. Gisela Werler (Nadeshda Brennicke) ist eine von denen, die dem Alltag in ihren Träumen zu entkommen versuchen, starrt gedankenverloren auf ein Plakat, das eine Stewardess zeigt. Wenn sie doch nur weg könnte von allem! Von der eintönigen Arbeit in der Tapetenfabrik, wo sie Tag für Tag für wenig Geld schuftet. Von ihren Eltern, bei denen sie mit dreißig immer noch lebt und die sie mit ihrem kläglichen Gehalt auch noch durchfüttern muss. Und von ihrem Kollegen Uwe (Andreas Schmidt). Der ist zwar der einzige, der sich für sie zu interessieren scheint, aber insgeheim hofft Gisela, doch noch jemand besseren zu finden. Jemand aufregenderen.
Und der steht eines Tages plötzlich in ihrem Zimmer: Peter (Charly Hübner), ein Bekannter von Uwe, klettert mit dem durch ihr Fenster, um einen Koffer voller Geld zu holen. Charmant ist der Fremde, selbstbewusst, witzig – und damit all das, was Uwe nicht ist. Ein Mann zum Verlieben, was Gisela auch sofort tut. Dass er auch noch Bankräuber ist, stört dabei nicht weiter, im Gegenteil. Gisela besteht darauf, selbst mitzumischen und recht schnell findet das Mauerblümchen Geschmack am Verbrecherdasein und dem neuen Luxusleben.
Kaum zu glauben, aber wahr: Gisela Werler gab es tatsächlich und wurde Mitte der 60er als erste Bankräuberin Deutschlands zu einer Mediensensation. Christian Alvart schafft es sehr schön, den Zuschauer zurück in diese Zeit zu schicken, als Blümchentapeten hiesige Wohnzimmer zierten, jeder Zweite einen Käfer fuhr und eine Fleischwurst das El Dorado deutscher Spießigkeit war. Und mit eben diesen Kontrasten, Kleinbürgerlichkeit und schmutziger Arbeit auf der einen, Sehnsucht nach einem glamourösen Leben auf der anderen Seite, wird die Verbrecherin bei ihm zu einer Figur, deren Taten man zwar nicht gutheißen, insgeheim aber doch verstehen kann.
„Wenn du da hinein gehst, kommst du als eine andere wieder heraus.“
In der ersten Hälfte lockert der krimi- und thrillererfahrene Regisseur (mehrere Tatort-Episoden, Fall 39) seinen Genrebeitrag zudem mit einer Menge Witz auf. Gerade wenn sich Gisela bei ihren ersten Versuchen auf ihrer kriminellen Laufbahn nur wenig souverän anstellt, den Bankangestellten anschließend verlegen einen guten Tag wünscht, blitzt da immer wieder Situationskomik auf. Der zeitweilige Einsatz von Splitscreens zusammen mit dem absurden Kult um die „Banklady“ bringt den Film dann schon an den Rand der Satire.
Doch die komischen Elemente werden später seltener, als Alvart zunehmend die unglückliche Liebe Giselas zu Peter in den Vordergrund stellt. Es ist nicht nur der Luxus und der Medienrummel, der die Bankräuberin antreibt, sondern auch der Wunsch, Peter nah zu sein, irgendwann vielleicht doch von ihm als Partnerin anerkannt zu werden. Dank der beiden glänzend aufgelegten Hauptdarsteller Nadeshda Brennicke und Charly Hübner gerät Banklady aber auch bei dem Stimmungswechsel nicht ins Schlingern. Negativ fallen nur das übertriebene Finale und die Darstellung der Polizei auf. Vor allem Kommissar Fischer (Ken Duken), der besessene Gegenspieler der beiden, ist im Gegensatz zu den beiden Verbrechern so eindimensional angelegt, dass er praktisch zur Karikatur verkommt. Da er jedoch nur zum Ende hin eine größere Rolle spielt, lässt er sich praktischerweise die meiste Zeit gut ignorieren.
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