(„Crystal Fairy & the Magical Cactus“ directed by Sebastián Silva, 2013)
Eine Wuschelfrisur, kaum Bartwuchs, braune Rehaugen und dann noch dieses Milchbubigesicht – Michael Cera wäre eigentlich für die Rolle des harmlosen, netten Schwiegermuttertraums gemacht. Dass der kanadische Schauspieler aber genau darauf keine Lust hat, das hat er in den letzten Jahren mehrfach unter Beweis gestellt. Schon in Youth in Revolt und Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt spielte er nicht ganz so vorbildliche Schüler, spätestens bei seinem Gastauftritt in Das ist das Ende letztes Jahr durfte er dann so richtig die Sau rauslassen. Und auch hier übernimmt er eine Figur, die es dem Zuschauer schwer macht, ihn zu mögen.
Dabei wissen wir eigentlich gar nicht so viel über Jamie (Cera), eigentlich nur, dass er eine große Vorliebe für sämtliche Formen konsumierbarer Drogen hat. Kokain, Gras, alles da, alles erlaubt. Nur eine fehlt ihm noch in seiner beeindruckenden Sammlung: der San-Pedro-Kaktus. Kocht man den für zwölf Stunden und trinkt dessen Sud, so erlebt man den Rausch seines Lebens. Klar, dass Jamie sich das nicht entgehen lassen möchte. Und so überredet der Amerikaner seine chilenischen Freunde Champa (Juan Andrés Silva), Pilo (Agustín Silva) und Lel (José Miguel Silva) in den Norden ihres Landes zu fahren und sich dem legendären Drogencocktail hinzugeben.
Ganz einfach eigentlich. Wäre da nicht Crystal Fairy (Gaby Hoffmann), die er am Vorabend total besoffen dazu eingeladen hat, sie auf ihrem Trip zu begleiten. Erinnern kann er sich daran tags drauf nicht mehr und wenn es nach ihm ginge, hätte es auch ruhig so bleiben können. Denn die exzentrische, recht behaarte Frau treibt ihn schon bald mit ihrer Spiritualität in den Wahnsinn. Und dieses Vorrecht war eigentlich seinem lang gehegten Drogentraum vorbehalten.
Hangover in Chile lautet der deutsche Untertitel des Films, wohl um die Nähe zur erfolgreichen Hangover-Trilogie herzustellen. Dabei haben der chilenische Independentstreifen und die Junggesellenabschiedsorgie maximal das Genre der Komödie gemeinsam. Und auch der Vergleich mit dem Drogen-Roadmovie-Klassiker Fear and Loathing in Las Vegas hinkt gewaltig, Rauschmittel sind zwar das Ziel von Jamie und seinen Freunden, nicht aber der Inhalt des Films.
Vielmehr stehen die beiden reichlich schrägen Hauptfiguren im Mittelpunkt: auf der einen Seite der ich-bezogene, unsensible Jamie, auf der anderen die völlig versponnene Crystal, die auch ohne Drogen wie auf anderen Sphären ist. Aus dieser Konstellation zieht der Film dann seine Komik, weniger aus Gags und einzelnen Szenen. Lacher im eigentlichen Sinn sind deswegen nicht unbedingt die Stärke von Crystal Fairy – Hangover in Chile und es dauert auch recht lange, bis der Film mal Fahrt aufnimmt. Gut möglich, dass so mancher Zuschauer da schon gelangweilt zur Fernbedienung gegriffen hat.
Schade wäre das, denn wenn im späteren Verlauf Cera und Hoffmann Blicke hinter das karikaturhafte Äußere ihrer Rollen erlauben, wird es richtig spannend und sehenswert. Im Vergleich dazu bleiben die drei anderen Begleiter nur schemenhaft, sind drei nette, entspannte Jungs, die als Kontrastmittel für die beiden aufdringlichen Amerikaner dienen. Die drei sind übrigens nicht nur im Film, sondern auch im echten Leben Brüder. Der vierte im Bunde, Sebastián Silva, ist als Regisseur und Drehbuchautor der Hauptverantwortliche von Crystal Fairy – Hangover in Chile, sofern man hier überhaupt von einem Drehbuch sprechen kann.
In Wirklichkeit wurden im Film nämlich nur grobe Eckdaten vorgegeben, ansonsten improvisiert – eine Technik, die in amerikanischen, zunehmend aber auch in deutschen Filmen (Silvi) Independentbereich beliebt ist. Wer diese betont authentische Herangehensweise mag, inklusive der obligatorischen Handkamera, darf sich nun über die chilenische Variante freuen. Wer hingegen damit noch nie etwas anfangen konnte, wird auch hier seine Meinung kaum ändern und Crystal Fairy – Hangover in Chile letztendlich zu unfertig, zu unzusammenhängend, zu unprofessionell finden.
Crystal Fairy – Hangover in Chile ist seit 14. März auf DVD und Blu-ray erhältlich
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