(„Michael Kohlhaas“ directed by Arnaud des Pallières, 2013)
Angesichts des Inhalts hätte man sich viele Formen der musikalischen Untermalung vorstellen können. Herzzereißende Schmachtfetzen zum Beispiel, als die Frau stirbt. Orchesterhymnen, um die epischen Schlachten zu unterstreichen. Vielleicht auch stampfende Hard-Rock-Nummern. Arnaud des Pallières wählte jedoch einen anderen Weg. Lieder im eigentlichen Sinn sind hier kaum zu hören, dafür ein häufiges Trommelspiel. Rhythmisch, irgendwie bedrohlich, wirken sie wie ein fernes Donnergrollen, welches ein Unwetter ankündigt. Und das ist hier gar nicht mal verkehrt.
Ein einfacher Grenzübergang ist es, der Michael Kohlhaas (Mads Mikkelsen) zu schaffen macht. Mehr nicht. Doch an diesem muss der angesehene Rosshändler vorbei, um seine Ware im nächsten Markt verkaufen zu können. Eine Lappalie, gesetzt den Fall, man ist im Besitz des geforderten Passierscheins. Was überhaupt nicht möglich ist, denn einen solchen Schein gibt es nicht. Das ist Kohlhaas jedoch nicht bewusst und so lässt er sich auf den Vorschlag des Barons (Swann Arlaud) ein, zwei seiner Pferde als Pfand zurückzulassen, die er auf dem Rückweg wieder abholen darf.
Doch die sind bei seiner Rückkehr in einem sehr schlechten Zustand, geradezu unbrauchbar, ebenso sein Diener César (David Bennent), der von den Männern des Barons misshandelt wurde. Kohlhaas fordert Wiedergutmachung, erst beim Adligen selbst, dann bei den Behörden. Als ihm diese verwehrt und seine Frau Judith (Delphine Chuillot) tödlich wird, schart er eine Streitmacht um sich und beginnt, auf eigene Faust und mit viel Blutvergießen für Gerechtigkeit zu sorgen.
Mehr als zweihundert Jahre hat die gleichnamige Novelle von Heinrich von Kleist inzwischen auf dem Buckel und wurde bereits mehrfach verfilmt. Zuletzt war im Kino die recht freie Adaption Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu sehen, eine humorvolle und absurde Tragikomödie über das Filmemachen. Im Vergleich dazu hält sich des Pallières sehr viel stärker an das Ausgangsmaterial, verlegt das Geschehen jedoch von Deutschland in die französischen Cevennen, die mit ihren kargen Landschaften das optische Pendant zu einem sehr rauen Film bilden.
Als eine Art Rachewestern könnte man Michael Kohlhaas bezeichnen. Wer dabei jedoch an Django Unchained denkt, ist auf einer völlig falschen Fährte. Blutfontänen, verbale Schlagabtausche, absurde Gewalteinlagen – all das sucht man hier vergebens. Die deutsch-französische Verfilmung folgt einem eigenen, sehr langsamen Rhythmus, der mehr von den intensiven Bildern, weniger von Handlungen geprägt ist. Als Vorbild hierfür standen dann auch nicht aktuelle Western Pate, sondern die düsteren, klassischen Vertreter aus Italien, mit all ihrer Rohheit, dem Dreck und der moralischen Ambivalenz. Der Schurke? Ja, der ist mit dem Baron schnell etabliert. Er muss dafür nicht einmal etwas sagen. Allein sein Blick, die Art, wie er gleich zu Beginn wortlos seine Waffe zieht und auf Kohlhaas richtet, lassen keinen Zweifel daran, wer hier der Gegenspieler sein wird.
Aber ist Kohlhaas ein Held? Das ist sehr viel weniger eindeutig. Anfangs feuert man ihn innerlich an, fordert, dass ihm Gerechtigkeit widerfährt. Doch irgendwann, man kann selbst den Zeitpunkt nicht genau bestimmen, fängt dieses Verhältnis an zu kippen. Ob seine Taten noch in Relation zu dem Unrecht stehen, interessiert ihn da schon nicht mehr, genauso wenig, welche Folgen sein Handeln hat. Rache, das will er. Damit ist Michael Kohlhaas nicht nur ein stark gespieltes, atmosphärisches Drama, sondern gleichzeitig auch kluge Reflexion darüber, was Gerechtigkeit überhaupt bedeutet.
Michael Kohlhaas ist seit 28. März auf DVD und Blu-ray erhältlich
(Anzeige)