(„Koto no ha no niwa“ directed by Makoto Shinkai, 2013)
Durch die Scheiben etwas sehen wollen? Keine Chance, nicht bei den Bindfäden, die sich bis an den Boden schlängeln. Wer versucht, sich durch die Straßen zu kämpfen, wird bei jedem Schritt von einem neuen Schirm niedergestochen. Und wo der graue Himmel aufhört und die Hochhäuser beginnen, lässt sich auch nicht mehr sagen. Nein, an einem Regentag in Tokio unterwegs zu sein, das macht keinen Spaß. Und von denen gibt es im Sommer eine ganze Menge, wenn die alljährliche Regenzeit ansteht. Klar hätte Takao etwas Besseres zu tun, als draußen herumzulaufen. In die Schule gehen zum Beispiel. Doch wann immer der Himmel zuzieht, zieht er sich lieber in einen kleinen Pavillon eines Gartens in Shinjuku zurück und zeichnet.
Dort trifft er eines Tages auf die etwas ältere Yukino, die ebenfalls das schlechte Wetter nutzt, um eine kleine Auszeit zu genießen. Man grüßt sich und hat sich anschließend gleich wieder vergessen, wie das nun mal so läuft bei Zufallsbekanntschaften. Bis man sich wieder über den Weg läuft, selber Ort, wieder Regen. Als sich diese Begegnungen häufen, kommen die beiden ins Gespräch, lernen sich kennen und sehnen sich insgeheim den nächsten Regentag herbei, um den Anderen wiedersehen zu können. Und in Takao wächst eine Faszination für die seltsame Frau, die wohl nichts zu tun hat, früh morgens schon Bier trinkt und nichts als Schokolade isst.
Zwei Stunden, zweieinhalb Stunden oder auch mal drei – wer in der letzten Zeit im Kino war, wird sich vielleicht auch darüber geärgert haben, dass immer mehr Regisseure die Kunst des Kurzfassens verlernt zu haben scheinen. Da werden minimale Geschichten auf epischer Länge ausgewälzt, völlig überflüssige Nebenhandlungen eingebaut, die Figuren reden minutenlang miteinander, ohne wirklich etwas zu sagen. Makoto Shinkai geht da nun den umgekehrten Weg, sein neuester Film ist gerade mal 46 Minuten lang. Kürzer als so manche TV-Folge, kürzer als die Interviews, die als Bonus auf die Scheibe gepackt wurden.
Anhänger des japanischen Regisseurs (5 Centimeters Per Second, The Place Promised in Our Early Days) könnten deswegen enttäuscht sein, vielleicht sogar verärgert. Und doch ist die Kürze mehr Vor- denn Nachteil, denn Shinkai vermeidet so überflüssigen Ballast und findet das richtige Tempo für seine Geschichte. Was auf anderthalb Stunden vermutlich gelangweilt hätte, wird hier zu einem angenehm kurzen Film über zwei Fremde und schwierige Gefühle. Gehetzt wird trotz allem nicht, der Film gibt seine Figuren genügend Zeit, sich zu entfalten und langsam zueinander zu finden. Nur ganz am Ende verlässt ihn die Ruhe und The Garden of Words gleitet etwas unnötig ins Melodramatische ab.
Bis zu dem Zeitpunkt wirken jedoch beide Protagonisten, als wären sie nicht ganz aus dieser Welt. Oder besser: Als würden sie nicht dort reinpassen. Takao träumt davon, den inzwischen fast ausgestorbenen Beruf des Schusters zu erlernen. Yukino wiederum hat sich seit einem unschönen Vorfall aus dem Leben zurückgezogen und setzt kaum mehr einen Fuß vor die Tür. Das mag auch an ihren Schwierigkeiten mit dem Laufen liegen, wobei The Garden of Words offen lässt, ob die nun körperlicher oder psychischer Natur sind. Dass sie bei ihren wenigen Ausflügen ausgerechnet einen angehenden Schuhmacher kennenlernt, der sich dem Ziel verschrieben hat, anderen das Gehen zu erleichtern, ist gleichzeitig ironisch, etwas konstruiert und doch auch eine passende Metapher. Denn erst durch die Gespräche mit Takao findet sie wieder den Halt, auf eigenen Beinen zu stehen.
Eingepackt wurde dies in Bilder, die zu den schönsten zählen, die wir in der letzten Zeit in einem Anime sehen durften. Jede Einstellung steckt voller kleiner Details und wurde mit so viel Sorgfalt zusammengestellt, dass man an einer beliebigen Stelle auf die Stopptaste drücken und die Szene als Werbung für den Film verwenden könnte, oder auch als Vorlage für ein Stillleben. Puristen werden sich eventuell an dem häufigen Einsatz von Computern stören, wobei sich die berechneten und gezeichneten Bilder doch recht harmonisch ineinander fügen. Tatsächlich erlaubt die Computertechnik eine so überzeugende Darstellung eines Regentages, dass The Garden of Words manchmal schon gespenstisch realistisch ist. Die Bilder kommen auch deshalb gut zur Geltung, weil sich die musikalische Untermalung angenehm im Hintergrund hält und damit sehr gut zu dem leisen, sehr melancholischen Drama passt.
The Garden of Words erscheint am 28. März auf DVD und Blu-ray
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