(„Run & Jump“ directed by Steph Green, 2013)
„Und liebst du auch Papi? Den neuen?“
Nein, Vanetia (Maxine Peake) hat sich keinen neuen Mann ausgesucht, so wie insgesamt nur wenig in ihrem Leben zuletzt das Ergebnis einer Wahl war. Schlaganfall, Amnesie, kindliches Verhalten – viel ist nicht von ihrem „alten“ Partner Conor (Edward MacLiam) geblieben. Fünf Monate wurde der junge Mann im Krankenhaus behandelt, bevor er zurück in die Obhut von Vanetia gegeben wurde. Dort, in einer irischen Kleinstadt, kümmert sie sich aufopferungsvoll um ihn und die beiden kleinen Kinder. Doch es fällt ihr zunehmend schwer, die Familie zusammenzuhalten und die notwendige Kraft aufzubringen.
Unterstützung erfährt sie dabei durch den amerikanischen Neuropsychologen Ted Fielding (Will Forte), der Conor anlässlich einer Fallstudie mit der Kamera begleitet. Dass Ted während dieser zwei Monate bei der Familie einzieht, sorgt durch seine nicht sonderlich sensible Vorgehensweise nicht nur für eine Menge Chaos und Reibereien, sondern später auch für ungeplante Gefühlswirrungen. Denn aus bloßem Halt wird Sympathie, Zuneigung und dann auch etwas mehr. Und bevor sie sich versieht, ist Vanetia plötzlich zwischen zwei Männern gefangen.
Kann man einen Menschen lieben, der durch eine Krankheit nicht mehr derselbe ist? „Ich weiß, dass du um deinen Mann trauerst“, sagt irgendwann Vanetias Schwiegermutter zu ihr und bringt damit zur Sprache, was niemand sonst offen zugeben will: Der Conor, den sie geheiratet hat, den gibt es nicht mehr. Und es wird ihn wohl auch nie wieder geben, zu groß sind die Schäden im Gehirn. Ein wehleidiges Rührstück ist Voll und ganz und mittendrin dennoch nicht, für ein derart schweres Thema ist der Film erstaunlich optimistisch und leichtherzig. Nur zum Ende hin wurden einige besonders dramatische Szenen eingebraucht, die der Independent-Streifen aber nicht gebraucht hätte.
Hauptfigur des Dramas ist nämlich gar nicht der zum Kinde gewordene Conor, sondern Vanetia. Wie es ihr mit der Situation geht, wie sie versucht, dem Leben trotz all der Probleme ins Gesicht zu lachen, darum dreht sich Voll und ganz und mittendrin. Und eben auch um die komplizierte Dreieckskonstellation. Das beinhaltet eine Menge schöner, kleiner Momente, mal hoffnungsvoll, dann wieder herzzerreißend, rührende und schmerzhafte Szenen, die vor allem dank des überzeugend spielenden Darstellertrios sehenswert sind.
Lob gilt aber auch der amerikanisch-irischen Regisseurin Steph Green, die mit Voll und ganz und mittendrin einen guten Einstand feiert. Ihr Spielfilmdebüt punktet mit einer einfachen, aber doch emotional nachvollziehbaren Geschichte, glaubwürdigen Charakteren und warmen Bildern der irischen Provinz. Und auch dass Vanetia immer wieder Trost in Erinnerungen sucht, später eben auch bei Ted, wirkt nicht aufgesetzt, sondern wie die konsequente Folge einer lebenshungrigen Frau, die plötzlich ohne Ansprechpartner da steht. Gleiches gilt für Ted, der mit der Zeit neben einem Verantwortungsgefühl der Wissenschaft gegenüber, auch eines für die Menschen entwickelt. Am Ende macht es sich Green vielleicht ein wenig zu einfach bei der Auflösung, Freunde feiner, kleiner, menschlichen Dramen sollte das aber wenig stören.
Voll und ganz und mittendrin ist seit 7. März auf DVD und Blu-ray erhältlich
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