Kiss of the Damned

Kiss of the Damned

(„Kiss of the Damned“ directed by Xan Cassavetes, 2013)

Kiss of the DamnedDie eigene Schwester als Monster zu bezeichnen, mag einem im Eifer des Geschwisterkampfes schon mal rausrutschen – nett ist es nicht. Und doch, im Fall von Djuna (Joséphine de La Baume) und Mimi (Roxane Mesquida) ist die Bezeichnung nicht ganz von der Hand zu weisen, schließlich handelt es sich bei den beiden Damen um Vampire. Abgesehen von ihrer Vorliebe für Blut, dem ewigen Leben und einer ausgeprägten Abneigung gegen Sonnenlicht haben die Schwestern jedoch wenig gemeinsam. Während sich Mimi hemmungslos durch das Nachtleben mordet und trinkt, hat sich Djuna auf das Anwesen eines befreundeten Vampirs zurückgezogen, aus dem sie sich nur herauswagt, um im benachbarten Wald Tiere zu jagen oder in der örtlichen Videothek alte Horrorfilme auszuleihen.

Eben dort trifft sie den attraktiven Drehbuchautor Paolo (Milo Ventimiglia), und schon der erste, intensive Blickkontakt verrät: Da geht noch was. In der ersten Nacht schafft es Djuna zwar noch, die Avancen ihres Verehrers abzuwehren. Doch der lässt sich durch nichts aufhalten, nicht einmal, als er erfährt, dass seine Angebetete nicht unbedingt als menschlich durchgeht. Im Gegenteil: Er besteht darauf, selbst ein Untoter zu werden und mit ihr zusammen wenn schon nicht alt, dann zumindest glücklich zu werden. Und vermutlich wäre das den beiden in ihrem abgelegenen Haus sogar geglückt, würde irgendwann nicht Mimi plötzlich vor der Tür stehen, um bei ihnen einzuziehen.

Drama und Romanze brauchte man in den letzten Jahren bei Vampirfilmen nicht lange suchen, davon wurde der Zuschauer selbst dann heimgesucht, wenn er gar kein Interesse daran hatte. Vor lauter Tragik wurde dabei jedoch ein Aspekt vergessen, der früher ein integraler Bestandteil des Genres war: Erotik. Dass bereits der Biss in den Hals eine sinnliche Komponente hat, ging einigen Regisseuren früher nicht weit genug, das durfte und musste noch ein bisschen expliziter werden. Gerade in den 70ern versuchte man erst gar nicht, die vielen Nackt- und Sexszenen inhaltlich zu rechtfertigen. Dass ausgerechnet Vampyros Lesbos von Jess Franco ein Lieblingsfilm von Xan Cassavetes sein soll, wundert einen bei ihrem Regiedebüt Kiss of the Damned dann auch nicht.Kiss of the Damned Szene 1

Da dauert es nicht lange, bis sich Djuna mit Ketten gefesselt im Bett räkelt und lustvoll stöhnt. Und auch danach werden gern und oft die Klamotten vom Leib gerissen, gerade Mimi hält nicht viel von Hemmungen. In erster Linie ist Kiss of the Damned daher auch eine Opfergabe ans Auge: Die oft spärlich bekleideten drei Hauptdarsteller dürften vor allem ihrer optischen Qualitäten wegen ausgesucht worden sein, aber auch Ausstattung und die langsamen Kamerafahrten dürfen sich sehen lassen.

Bemerkenswert ist auch die bewusst altmodische Musikuntermalung: Orgelmusik, Synthiespielereien, Gitarrenrock, Klassik – hier werden alle möglichen Stilrichtungen zu einem dichten, tendenziell aufdringlichen Klangteppich verwoben. Nicht unbedingt etwas, das man sich als Soundtrack ins CD-Regal stellen würde, aber es hilft, Kiss of the Damned im großen Horrorangebot eine eigene Note zu geben.Kiss of the Damned Szene 2

Von der Geschichte lässt sich das hingegen weniger behaupten. Paolo mag braun gebrannt sein, seine Figur ist dafür umso blasser. Und die beiden Schwestern Djuna und Mimi sind nur als gegensätzliche Schlussfolgerungen desselben Problems interessant, weniger als Individuen. Vereinzelt treffen wir noch auf andere Vampire, unter anderem die erfolgreiche Schauspielerin Xenia (Anna Mouglalis) und ihren Debattierclub. Doch diese Einblicke in eine alternative Gesellschaft bleiben schematisch, da war man in Interview mit einem Vampir und Byzantium doch schon weiter. Und auch der Gruselfaktor hält sich in Grenzen. Indem wir das gesamte Geschehen aus den Augen der Untoten begutachten, sind Mimis Opfer reine Randnotizen mit einem schnellen, unspektakulären Ende. Wenn sich Kiss of the Damned an Horrorfans richtet, dann vor allem an die nostalgisch veranlagten, denen schöne Bilder und Erotik wichtiger sind als Nervenkitzel.



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Mit schönen Bildern und viel nackter Haut nimmt uns Xan Cassavetes bei ihrem Regiedebüt zurück in eine Zeit, als Erotik noch integraler Bestandteil von Vampirfilmen war. Handlung und Spannung sind bescheiden, für Nostalgiker ist Kiss of the Damned aber einen Blick wert.
6
von 10