(„Ummah – Unter Freunden“ directed by Cüneyt Kaya, 2012)
Die Farbe blättert von den Wänden. Klingel und Fernsehbuchse funktionieren mal, dann auch wieder nicht. Die Nachbarschaft? Geht so. Es hat schon seine Gründe, warum Neukölln nicht unbedingt der begehrteste Bezirk in Berlin ist. Für Daniel (Frederick Lau) ist die heruntergekommene Wohnung aber ideal, denn dort kann er untertauchen und nach seinem verpatzten Einsatz als Ermittler des Verfassungsschutzes noch mal neu anfangen.
Das mit der geplanten Isolation hält aber nur einige wenige Tage: Als er kurz nach dem Einzug bei einem türkischen Gebrauchtwarenladen einen alten Fernseher kauft, lernt er dabei Abbas (Kida Khodr Ramadan) und Jamal (Burak Yigit) kennen. Aus der anfänglich rein geschäftlichen Beziehung wird bald eine freundschaftliche; die beiden nehmen den verschlossenen Neuankömmling überall hin mit und führen ihn in die türkisch-arabische Community ein. Bald fängt Daniel an, die muslimische Lebensweise und ihre Gastfreundschaft zu schätzen, sieht aber auch, mit welchen Vorurteilen alle Beteiligten zu kämpfen haben – innerhalb wie außerhalb der Gemeinschaft.
Stark fängt das Regiedebüt von Cüneyt Kaya an, richtig stark sogar. Ohne Erklärungen, ohne Dialoge, ohne jegliche Musik werden wir in die Anfangssituation geworfen, sehen Daniel angeschossen am Boden liegen und sich blutüberströmt nach draußen retten. So wie hier gelingt es dem türkischstämmigen Filmemacher immer wieder, mit minimalen Mitteln eine dichte Atmosphäre zu erschaffen. Nur will Ummah – Unter Freunden kein Thriller sein, kein Krimi, sondern ein Drama. Und als solches ist der Film nur bedingt gelungen.
Das größte Problem ist ähnlich wie bei Zaytoun unlängst, dass die Absicht des Films ein bisschen zu sehr vor sich hergetragen wird. Eine Geschichte über den „Problembezirk“ Neukölln erzählen und Vorurteile anprangern zu wollen, klar darf man das. Nur sollte das Ergebnis dann doch subtiler ausfallen, als es hier der Fall ist. Gerade bei den Figuren begnügte man sich mit sehr groben Entwürfen: Ob es der übertrieben gute Abbas ist, die bösen Polizisten, der mit Drogen dealende Bruder, nie hat man den Eindruck, es wirklich mit Menschen zu tun haben. Daniel darf immerhin eine kleine Entwicklung durchmachen, ein überzeugender Charakter mit Zweifeln oder inneren Widersprüchen ist er aber ebenso wenig. Wenn Kaya sichergehen wollte, dass sein pädagogisches Ziel verstanden wird – geschafft hat er das, Platz für Missverständnisse gibt es hier nicht.
Und auch bei der Geschichte wurde alles der dem Film zugrunde liegenden Aussage untergeordnet. Auf was es am Ende hinauslaufen soll, ist schon recht bald klar. Der Weg dorthin ist aber immer wieder von unglaubwürdigen, teils fragwürdigen Etappen geprägt. Wie kann Daniel als ehemaliger Ermittler gleichzeitig so gewieft und so naiv sein? Wieso muss Daniels Drogendealer sich ausgerechnet als Bruder von Abbas herausstellen? Die Auflösung am Ende wird mit der Brechstange in den Zuschauer geprügelt, auch vor Pathos schreckt Kaya nicht zurück.
Schlecht ist sein Film trotz allem nicht. Neben den erwähnten intensiven Szenen dürfen wir auch immer mal wieder Einblick in den Alltag der muslimischen Bevölkerung erhalten, diesmal jedoch aus der Innenperspektive heraus. Als solcher hat Ummah – Unter Freunden auch durchaus seine Daseinsberechtigung. Losgelöst von seinen guten, unterstützungswerten Absichten bleibt aber nicht viel mehr als Durchschnitt übrig.
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