(„The Two Faces of January“ directed by Hossein Amini, 2014)
Ach ja, Urlaubsbekanntschaften. Interessant können sie sein, romantisch, aber auch nervig und sogar gefährlich. Schließlich sind die Ansprüche an die eigene Moral selten so niedrig, wie wenn wir weit von unserer Heimat entfernt sind. Treffen dabei gleich zwei aufeinander, die das mit Regeln und Anstand nicht ganz so eng sehen, kann das richtig böse ausgehen. Und so eben auch hier, als drei Menschen in Griechenland auf fatale Weise aufeinandertreffen.
Auf der einen Seite haben wir Rydal (Oscar Isaac). Attraktiv und intelligent, lässt der Amerikaner gerade bei weiblichen Touristinnen seinen Charme spielen – erfolgreich – und kommt als Reiseführer und Trickbetrüger ganz gut über die Runden. Doch das ändert sich, als er das distinguierte Ehepaar Chester (Viggo Mortensen) und Colette MacFarland (Kirsten Dunst) kennenlernt, die offensichtlich eine dunkle Vergangenheit in ihren schicken Koffern rumschleppen. Als Chester in seinem Hotel Besuch von einem bewaffneten Unbekannten erhält, endet die Unterhaltung tödlich für den Angreifer. Kurze Zeit später ist das Ehepaar dann auf der Flucht, zusammen mit Rydal, der Zeuge des Vorgangs wurde und den beiden helfen will – aus Gründen, die alles andere als selbstlos sind.
An einer klassischen Mördersuche hatte die amerikanische Krimiautorin Patricia Highsmith zeitlebens nie besonders großes Interesse. Und das gilt auch hier. Einen Fall im eigentlichen Sinn braucht man in Die zwei Gesichter des Januars nicht zu erhoffen, relativ früh wird hier schon verraten, was der Zuschauer zu wissen hat. Unbekannte Bösewichter? Geheimnisvolle Todesfälle? Eine internationale Verschwörung? Das braucht es für die Schriftstellerin nicht. Im Mittelpunkt steht deshalb auch weniger die Vergangenheit, sondern die Gegenwart. Der Film nimmt sich viel Zeit, die schwierige Beziehung zwischen den drei Protagonisten zu beleuchten, die zunehmenden Spannungen, die eine Dreierkombination meistens mit sich bringt. Und die eine oder andere Intrige darf dann natürlich auch nicht fehlen.
Wer Thriller der Actionszenen wegen schaut, kann den Film getrost ignorieren. Hier ist alles sehr gemächlich, nur am Ende wird hier ein bisschen aufs Gaspedal getreten. Das ist vor allem überraschend, wenn man bedenkt, dass hier der iranische Drehbuchautor Hossein Amini erstmals auf dem Regiestuhl Platz genommen hat. Nun war natürlich auch Drive aus seiner Feder nicht unbedingt der Prototyp für Rasanz. Doch wenn es darauf ankam, wurde dort doch recht heftig zugelangt. Und seine späteren Arbeiten Snow White and the Huntsman und 47 Ronin geizten ohnehin nicht mit Actionszenen.
Aber auch wenn die Erwartungen mancher Zuschauer hier bestimmt enttäuscht werden, ein Manko muss die ruhige Inszenierung bei Die zwei Gesichter des Januars aber nicht unbedingt sein. Vielmehr weckt die Romanverfilmung Erinnerungen an Genrevertreter vergangener Zeiten. Die Geschichte spielt nicht nur in den1960ern, sie hätte mit ihrer geradlinigen Handlung, den schönen Landschaftsaufnahmen und der nostalgischen Musik auch damals gedreht werden können. Ob es für solche Streifen heute noch einen Markt gibt, wird sich zeigen. Wer aber Thriller zu Hitchcocks Zeiten mag, für den ist der elegante, bewusst altmodische Film eine Wohltat, zumal an den Leistungen der drei Hauptdarsteller ohnehin nichts zu bemängeln ist.
Die zwei Gesichter des Januars läuft ab 29. Mai im Kino
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