(„Kalte Karibik“ directed by Wolf Wolff, 2010)
Stress? Überarbeitung? Gar Burnout? Das sind alles Begriffe, die Ludger (Peter Silbereisen) maximal aus der Zeitung kennt. Denn so ehrenvoll es auch ist, als Polizist der einzige Gesetzeshüter auf Meerscheid zu sein, so eintönig ist es auch. Kaum jemand verirrt sich auf die Nordseeinsel. Und wo keine Menschen, da auch keine Verbrechen. Wenn hier jemand ums Leben kommt, dann nur wegen Altersschwäche. Vielleicht auch aus Langeweile. Manch einer würde sich vielleicht darüber freuen, fürs Nichtstun bezahlt zu werden, doch Ludger hat da schon ein wenig mehr Ambitionen. Wenn es nach ihm ginge, würde der ortsansässige Pfarrer (Peter Nottmeier) – zugleich der einzige Arzt der Insel – jeden Toten obduzieren, es könnte ja ein Fall darin stecken.
Doch der tut das natürlich nicht, weshalb der Bürgermeister (Helmut Rühl) längst konkrete Pläne fasst, die Stelle aufzulösen, um von dem ersparten Geld eine Sauna zu kaufen und so vielleicht doch mal Touristen anzulocken. Als Ludger das spitzkriegt ist klar, ein Fall muss her! Nur wie? Sein bester Freund Olaf (Frank Brunet) hat die rettende Idee, einfach ein Verbrechen vorzutäuschen, das der unterbeschäftigte Polizist lösen kann und wird. Was die beiden nicht ahnen ist, dass zeitgleich ein reales Verbrechen stattfindet: Eine Gruppe Jugendlicher fingiert die eigene Entführung, um so Lösegeld zu erpressen. Und das endet für alle Beteiligten in einem Desaster.
Wenn ein deutscher Film vier Jahre braucht, bis er den Weg ins heimische Regal findet, dann ist das selten ein gutes Zeichen. Da schafft es so viel Schrott ins Kino (Bela Kiss: Prologe) oder ins Fernsehen (Die Hebamme), wie schlimm muss das Ergebnis dann erst sein, wenn ein Verleih keinen Markt dafür sieht? Im Fall von Kalte Karibik hat die lange Wartezeit aber nur bedingt etwas mit dem Inhalt zu tun, eher mit der Art und Weise, wie der entstanden ist: per Selbstfinanzierung. Was sich erst mal toll und nach viel Freiheit anhört, bedeutet auch, gegen viele Wände zu laufen und es sich unnötig schwer zu machen.
Und doch, ganz von der Hand zu weisen ist die Theorie nicht, dass die Qualität hier ebenfalls eine Rolle mit der langen Verzögerung gespielt haben könnte. Denn auch wenn sich einige halbwegs bekannte Namen unter der Besetzung tummeln, darunter Martin Semmelrogge, Jacob Matschenz (3 Zimmer/Küche/Bad) und Peter Nottmeier aus der Kultsendung Switch, hier wirkt vieles doch sehr laienhaft. Die Kamera zuckelt vor sich hin, einigen der Nebendarsteller sieht man die mangelnde Erfahrung an, vor allem aber hätten Dialoge und die Witze noch mehr Feinschliff vertragen. An vielen Stellen ist Kalte Karibik einfach nicht so komisch, wie die Krimikomödie sein sollte und vermutlich auch sein wollte. Spannend ist sie ohnehin nicht, dafür ist zu viel Slapstick dabei.
Dafür sind Wolf Wolff, der nicht nur Regie führte sondern auch am Drehbuch mitschrieb, die Figuren gut gelungen. Gerade die kauzigen Bewohner von Meerscheid – der immer demonstrativ beschäftige Bürgermeister, der drogenverteilende Pfarrer oder auch Ludger, der selbst bei einem 95-Jährigen keine natürliche Todesursache akzeptieren will – sind wunderbar skurril geworden. Hätte sich Kalte Karibik allein darauf konzentriert, anstatt die Dorfsatire mit einem langweiligen Kriminalfall koppeln zu wollen, hätte das Low-Budget-Werk vielleicht richtig amüsant werden können. So bleibt es bei einem schön bebilderten und sympathischen, letztlich aber nur durchwachsenen Filmvergnügen.
Kalte Karibik erscheint am 30. Mai auf DVD
(Anzeige)