The Last Days

(„Los últimos días“ directed by Alex Pastor and David Pastor, 2013)

The Last DaysKeiner weiß, wie es angefangen hat, woher sie gekommen ist oder auch warum immer mehr an ihr erkranken, aber eine seltsame Epidemie ist über die Welt hinweggefegt. Seither können die Menschen aufgrund einer heftigen Platzangst nicht mehr das Haus verlassen. Sobald sie auch nur einen Fuß vor die Tür setzen, bekommen sie Panikattacken, die bis zum Tod führen können. Und so bleibt den Leuten nichts anderes übrig, als im Büro zu bleiben, zu Hause, im Einkaufszentrum – wo auch immer sie gerade waren, als die Krankheit auch sie erreichte.

Seither ist die Welt da draußen wie ausgestorben, nichts rührt sich mehr, nur die Tiere auf der Suche nach Nahrung streunen durch die leeren Straßen. Und drinnen herrscht mittlerweile Anarchie, bei den Verteilungskämpfen um das verbliebene Essen gelten alte zivilisatorische Regeln nicht mehr. Sich in einer solchen Situationen anderen zu nähern, ungefährlich ist das nicht. Marc (Quim Gutiérrez) versucht dennoch, sich zusammen mit seinem Kollegen Enrique (José Coronado) durch die Kanalisation Barcelonas zu schlagen, in der Hoffnung, seine Freundin Julia (Marta Etura) wiederzufinden.

Interessant wäre es ja zu erfahren, warum die Brüder Alex und David Pastor so sehr von den Themen tödliche Krankheit und Weltuntergang fasziniert sind. Schon in Carriers ließ das spanische Regieduo die Menschheit mit Hilfe eines Virus an den Rand ihrer Auslöschung schlittern. Nun ist es eben eine seltsame Agoraphobie, die Angst vor weiten Plätzen. Letztes Jahr lieferte Citadel bereits den Beweis, dass diese psychische Krankheit eine ideale Voraussetzung für spannungsgeladene Filme bietet, schließlich können die Betroffenen sich bei Bedrohungen nicht mehr ins Freie retten. War der irische Film mit seinem Hang zum Übernatürlichen eindeutig im Horrorgenre angesiedelt, spielt der spanische Kollege doch im Hier und Jetzt – glaubwürdiger ist er dadurch aber nicht.The Last Days Szene 1

Nicht nur Alex und Enrique, auch wir Zuschauer tappen bei The Last Days völlig im Dunkeln. An Erklärungen haben die Pastor-Brüder, die auch hier gemeinsam das Drehbuch schrieben, offensichtlich wenig Interesse, am Anfang nicht, am Ende genauso wenig. Dass zwischendurch einige Male die eigenen Augenbrauen an die Decke schnellen – das GPS funktioniert in der Kanalisation? – fällt da schon nicht weiter ins Gewicht. Mit Plausibilität will der spanische Endzeitthriller gar nicht erst punkten, hier wurde alles der Stimmung untergeordnet.

Und dieser Plan ging auf: Was dem Film auf der inhaltlichen Seite mangelt, macht er mit seiner Atmosphäre mehr als wett. Die verwaiste Oberwelt wirkt durch die plötzliche Flucht der Menschen absolut gespenstisch, überall stehen noch die Autos, in denen keiner mehr sitzt. So als könnten die Besitzer jeden Moment zurückkommen. Verstärkt wird dieser unwirkliche Ausdruck durch die seltsam farbentleerten Bilder, verblasste Erinnerungen an das Leben, das hier vor Kurzem noch herrschte.
The Last Days Szene 2

Dafür geht es unter der Erde umso mehr zur Sache, immer wieder wird die Suche nach Julia durch spannende Auseinandersetzungen unterbrochen. Richtig brutal wird es zwar nie, aber was die spanischen Filmemacher von den Menschen halten, daran lassen sie keinen Zweifel: In der Not gibt es keine Gesetze, Regeln oder gar Moral, jeder ist sich selbst der Nächste. Wenn die Überlebenden durch den Wegfall äußerer Zwänge sich fast schon freudig enthemmt gegenseitig die Köpfe einschlagen, ist das dem Geschehen in Herr der Fliegen schon ziemlich nahe – nur dass es hier die Erwachsenen sind, die im Handumdrehen Jahrtausende Zivilisation über Bord werfen.

Sicher hätte man an der Stelle durchaus noch weitergehen können, die existentiellen Fragen bleiben eine reine Randnotiz. Zu hoch sollten die Ansprüche also nicht sein, zumal zwischendurch manches aufgesetzt ist und den Pastors kein richtig befriedigendes Ende einfallen wollte. Wer das nicht tut und eher Wert auf eine dichte Atmosphäre legt, der erlebt bei The Last Days aber auf jeden Fall einen gut umgesetzten Weltuntergang, weniger philosophisch als etwa Die Stadt der Blinden, aber eben doch auch unterhaltsam..



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Stell dir vor, du könntest von einem Tag auf den anderen nicht aus dem Haus, und alle anderen ebenfalls nicht. Was würdest du tun? Allzu philosophisch ist die Antwort bei The Last Days zwar nicht und Plausibilität war im Drehbuch wohl auch nicht vorgesehen. Interessant ist der Endzeitthriller aber schon, gerade auch wegen seiner dichten Atmosphäre und den stimmungsvollen Bildern.
7
von 10