(„As Time Goes By in Shanghai“ directed by Uli Gaulke, 2013)
Rente mit 67? Das mag hierzulande ein Aufreger sein, die Mitglieder der Peace Old Jazz Band können bei dem Thema nur lächeln. Mit 53 Jahren wäre der Trompeter Mengqiang Lu auf dem normalen Arbeitsmarkt schon nur noch schwer vermittelbar, im Vergleich zu seinen Bandkollegen ist er jedoch das Nesthäkchen der Gruppe: Altsaxophonist Honglin Gao ist 71, Altsao Pianist Jingyu Zhang 73, Kontrabassist Mingkang Li zählt 77 Lenze, Saxophonist Jibin Sun hat sogar die 80er-Marke geknackt, nur der 93-jährige Schlagzeuger Zhengzhen Bao ist noch älter. Zusammen spielen sie tagein, tagaus im Peace Hotel in Shanghai, seit über 30 Jahren schon. Während sie es so zu einer lokalen Berühmtheit gebracht haben, ist der internationale Markt ein ferner Traum. Doch dann kommt eines Tages die Einladung zum wichtigsten Jazz-Festival der Welt in Rotterdam.
Auch wenn eine Teilnahme am Festival natürlich eine große Ehre ist, in As Time Goes By in Shanghai spielt es keine große Rolle. Stattdessen nahm der deutsche Regisseur Uli Gaulke das Ereignis zum Anlass, um die laut Guinness Buch der Rekorde älteste Band der Welt etwas genauer vorzustellen. Ein bisschen dürfen wir ihnen über die Schulter schauen, wenn sie sich für ihren großen Auftritt in Europa vorbereiten, doch so richtig aufregend ist das nicht. Das Dauerengagement in einem Hotel verrät schon, welchen Jazz wir hier zu erwarten haben: gediegen, gefällig, ein bisschen altmodisch – typische Hintergrundmusik also. Bezeichnend ist es daher schon, wenn die alten Herren auf eine deutlich jüngere Sängerin treffen und damit auch zwei völlig verschiedene Musikauffassungen sich berühren.
Doch im Grunde ist auch das nur Begleitmusik, Gaulke ist in erster Linie an der Historie der Band und damit auch der des Reichs der Mitte interessiert. Mit viel Nostalgie und Wehmut wird über die Blütezeit des chinesischen Jazz in den 40ern gesprochen, als das Land die fremden musikalischen Einflüsse aufsaugte und große Ballräume entstanden. Doch den Landesoberen war eine Musikrichtung – aus naheliegenden Gründen – ein Dorn im Auge, in der das Unvorhergesehene und Individuelle zum Prinzip erklärt wird. Und so wurde im Zuge der kommunistischen Kulturrevolution der Jazz schlicht verboten, über viele, viele Jahre hinweg.
Gerne hätte man noch mehr darüber erfahren, doch As Time Goes By in Shanghai will kein Geschichtsfilm sein. Wenn wir etwas über die Umwälzungen im Land erfahren, den Einfluss des Politischen aufs Kulturelle, dann nur beiläufig, bruchstückhaft, über den Umweg des Persönlichen. Für einen ersten Einblick reicht das jedoch, weshalb die Dokumentation auch für Zuschauer einen Blick wert ist, die mehr über China und die Mentalität seiner Einwohner erfahren und dazu ein paar schöne Shanghai-Bilder sehen wollen. Für Jazzfans gilt das sowieso, auch wenn wir hier auf die ganz große Virtuosität verzichten müssen.
As Time Goes By in Shanghai ist seit 30. Mai auf DVD erhältlich
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