(„Beste Chance“ directed by Marcus H. Rosenmüller, 2014)
Freunde fürs Leben? Von wegen. Wir alle machen diese Erfahrung einmal: Wie eng Freundschaften während der Schulzeit auch gewesen sein mögen, hat man erstmal den Abschluss in der Hand und der Ernst des Lebens begonnen, verliert man sich schneller aus den Augen, als einem lieb ist. Dass ihnen das auch einmal passieren könnte, damit hatten Jo (Rosalie Thomass) und Kati (Anna Maria Sturm) wohl nie gerechnet. Und doch, fünf Jahre nach dem Abitur ist von den gemeinsamen Plänen kaum mehr was geblieben. Kati geht mittlerweile zur Uni, Jo treibt sich in der Weltgeschichte rum und soll zuletzt irgendwo in Indien gesehen worden sein.
Von dort aus versucht sie auch ihre beste Freundin mehrfach zu erreichen – vergeblich. Als Kati erst deutlich später davon erfährt, ist sie voller Sorge. Was, wenn Jo etwas passiert ist? Und so versucht sie, die Leute aus ihrer Jugend zusammenzutrommeln, um die Auswanderin gemeinsam zu finden. Doch das ist nicht so einfach, wie sie sich das zuvor vorgestellt hat. Rocky (Ferdinand Schmidt-Modrow) ist mittlerweile Vater und kurz davor zu heiraten. Und auch Toni (Volker Bruch) führt mittlerweile ein ganz eigenes Leben. Also bleibt Kati nichts anderes übrig, als ihre Jugendfreundin auf eigene Faust zu suchen.
Fünf Jahre, das kann nicht nur für eine Freundschaft eine sehr lange Zeit bedeuten, im Kinogeschäft gilt das erst recht. Nachdem Vorgänger Beste Gegend an den Kinokassen enttäuschte, war es lange ruhig gewesen um Marcus H. Rosenmüllers geplanten Abschluss seiner Coming-of-Age-Trilogie. 2008 war bereits die Rede davon, die Geschichte um die beiden besten Freundinnen Jo und Kati fortsetzen zu wollen, allein es fehlte das Geld. Doch der deutsche Regisseur gab nie auf, kämpfte unbeirrt weiter um sein Herzensprojekt. Für die Fans der ersten beiden Teile Beste Zeit und Beste Gegend ist das eine gute Nachricht, aber auch Neulinge dürfen sich freuen, denn Beste Chance ist einerseits eine direkte Fortsetzung, gleichzeitig aber auch völlig anders.
Die augenscheinlichste Änderung betrifft das Setting: Spielten die ersten beiden Filme ausschließlich auf dem bayerischen Land, muss sich der Schauplatz diesmal die Spielzeit mit Indien teilen. Damit einher geht auch eine deutliche Verschiebung, was das Genre angeht. Die leisen Töne des Alltagsdramas sind immer noch da, wenn Jo beispielsweise feststellt, dass sich in der Heimat nichts geändert hat und nicht weiß, ob sie das gut oder schlecht finden soll. Gleichzeitig kommt es nicht unerwartet zu Reibungen und Missverständnissen, wenn Einwohner eines bayerischen Dorfes mit der fremden Kultur in Indien zusammenprallen. An den Stellen wird Beste Chance zu einer lupenreinen Culture-Clash-Komödie, so wie allgemein der Humoranteil deutlich erhöht wurde.
Auch die schon in Beste Gegend auftretenden Tendenzen der Übersteigerung und übertriebenen Zufälligkeit finden hier ihre Fortsetzung. Waren diese beim Vorgänger aber irgendwie störend und unpassend, fügen sie sich in Beste Chance besser ein. Schließlich sind die autobiografischen Elemente von Ko-Autorin Karin Michalke inzwischen größtenteils verarbeitet, der fiktionale Anteil übernimmt die Führung. Damit ist dann auch der Anspruch passé, den erlebten Alltag eins zu eins abbilden zu wollen, hier darf der Film Plausibilität hin oder her auch einfach mal nur unterhalten. Und das tut er ziemlich gut.
Fans der ersten Stunde dürften sich trotzdem auf viel Liebgewonnenes freuen. Neben den angesprochenen leisen Momenten und diversen Anspielungen ist das vor allem die Besetzung: Fast alle Schauspieler sind wieder dabei und übernehmen ihre alten Rollen. Gerade bei Rocky und Toni ist es so, als wäre die Zeit einfach stehengeblieben. Die größte Entwicklung darf deshalb auch Kati durchmachen, die nach dem vielen Gerede über Freiheit und die große weite Welt tatsächlich mal einen Blick auf das werfen darf, was jenseits ihrer Grenzen auf sie wartet. Der Weg zum Erwachsenensein, bei Beste Chance kommt sie da ein gutes Stück weiter. Und danach? Das wird sich zeigen, nach dem Kampf um den dritten Teil kann sich Rosenmüller nun sogar einen vierten vorstellen. Wenn das Ergebnis ähnlich gut ausfällt wie hier, dann darf man sich schon jetzt darauf freuen.
Beste Chance läuft ab 26. Juni im Kino
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