(„Beste Zeit“ directed by Marcus H. Rosenmüller, 2007)
„Auf Fahrtwind und Freiheit. Sehnsucht und Liebe.
An Tschik und a Bier. Und den Vollmond als Wegweiser.“
Sehnsucht, Tschik – ein ländlicher Ausdruck für Zigaretten – und Bier, davon gibt es mehr als genug im Leben von Kati (Anna Maria Sturm) und Jo (Rosalie Thomass). Was den Rest angeht, da hapert’s jedoch ein wenig. Wirkliche Freiheit ist als 16-Jährige allgemein ein wenig schwer zu erreichen, umso mehr wenn man in einem kleinen bayrischen Dorf lebt, wo es weite Natur im Übermaß gibt, dem Freizeitspaß jedoch enge Grenzen gesetzt sind.
Gegen die lehnen sich der beiden besten Freundinnen auch ständig auf, vor allem Kati gerät immer wieder mit ihrem Vater aneinander. Zwei Lichtblicke sind es, die sie in den Momenten der Verzweiflung und Frustration am Laufen halten: Das Jahr in den USA, wofür sie sich beworben hat, und ihr Schwarm Mike (Florian Brückner), der gerade von der Bundeswehr zurück ist. So sehr ist sie in ihn verschossen, dass sie überhaupt nicht mehr, wie rührend Mitschüler Rocky (Ferdinand Schmidt-Modrow) um ihre Aufmerksamkeit buhlt.
Es dürfte 2006 kaum einen Film gegeben haben, dessen Erfolg mehr überraschte als der von Wer früher stirbt, ist länger tot. Ein bayerischer Heimatfilm, komplett in Mundart gedreht – wer soll sich bitte schön außerhalb des Freistaates dafür interessieren? Eine ganze Menge, wie sich herausstellte, über 1,2 Millionen Zuschauen sahen ihn allein im ersten Jahr, 2007 kamen noch einmal knapp 600.000 dazu. Mit dem herkömmlichen Entwurf des Genres hatte Regisseur Marcus H. Rosenmüllers Langfilmdebüt aber auch nur wenig gemeinsam. Vorbei waren die heilen Welten der 50er und 60er, hier war das bajuwarische Land von allerlei skurriler – und sehr witziger – Gestalten bevölkert.
Auch bei Beste Zeit erteilte der Regisseur einer allzu idealisierten Darstellung ländlichen Lebens eine Absage, schlug dabei jedoch deutlich ernstere Töne an. Dass Drehbuchautorin Karin Michalke hier ihre eigenen Erfahrungen als Jugendliche verarbeitet, ist unverkennbar, denn das Coming-of-Age-Drama zeichnet sich durch viel Authentizität und Gespür für die Alltagsnöte von Jugendlichen aus: schwärmerische, nicht unbedingt erwiderte Liebe, der Drang nach Freiheit und einem eigenen Weg, erste heftige Auseinandersetzungen mit den Eltern und die demütigende Erfahrung, ein wenig zu viel getrunken zu haben.
So natürlich und überzeugend ist das Ergebnis, dass man meinen könnte, Rosenmüller wäre tatsächlich zwei Jugendlichen in ihrem Alltag auf Schritt und Tritt mit der Kamera gefolgt. Weit gefehlt, sowohl Rosalie Thomass als auch Anna Maria Sturm waren damals bereits erfahrene Schauspielerinnen, Sturm zudem acht Jahre älter als die von ihr gespielte Kati. Dass beiden in Folge keine größeren Karrieren vergönnt waren – Thomass sah man abgesehen von Eine ganz heiße Nummer meistens in eher kleineren Filmen, Sturm allenfalls im Fernsehen – lässt sich nur mit den Einspielergebnissen erklären, die im Vergleich zu Wer früher stirbt, ist länger tot oder auch Schwere Jungs doch recht überschaubar waren.
Und das ist mehr als schade. Durch den deutlich zurückgefahrenen Humor mag Beste Zeit weniger zugänglich sein als der Erstling und auch nicht mehr den Kuriositätenbonus haben. Doch was die genreübergreifende Qualität angeht, da steht der gefühlvolle Heimatfilm seinem komischen Vetter nichts nach. Allenfalls die Nebenfiguren könnte man kritisieren, deren Charakterisierung im Vergleich zu Kati und Jo doch sehr kurz kommt. Aber das stört nur minimal. Und so durfte man gespannt sein, was den beiden in dem relativ bald darauf gestarteten Nachfolger Beste Gegend noch alles geschehen würde.
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