Nebenwege – Pilgern auf Bayrisch

Nebenwege – Pilgern auf Bayrisch

(„Nebenwege“ directed by Michael Ammann, 2014)


„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“

Nebenwege – Pilgern auf BayrischAuf die gläubige Hilde (Christine Ostermayer) trifft das nicht so ganz zu. Die sieht mit ihren strohweißen Haaren nicht nur ein bisschen so aus wie ein Schäfchen, ein wenig Führung von oben würde der demenzkranken Rentnerin zudem nicht schaden. So aber lebt sie allein in ihrem kleinen Häuschen, vergisst ständig, was sie sagen wollte, verläuft sich manchmal und erkennt auch ihren Sohn Richard (Roeland Wiesnekker) und Enkelin Marie (Lola Dockhorn) nicht, als diese vor ihr stehen.

Für Richard, der aufgrund seiner beruflichen Belastung einfach keine Zeit mehr hat, sich um sie zu kümmern, steht daher fest: Seine Mutter muss ins Heim. Die will davon aber nichts wissen, läuft lieber davon, um im 100 Kilometer entfernten Altötting zu der schwarzen Madonna zu beten. Jeder Versuch, sie vom Irrsinn dieser Wallfahrt zu überzeugen, scheitert. Richard und Marie haben also keine andere Wahl, sie müssen die alte Dame begleiten. Auf die Weise können die beiden nicht nur ein Auge auf Hilde haben, sondern auch ein wenig an ihrer eigenen verkorksten Beziehung arbeiten.

Die Aussichten sind nicht schön, Schätzungen zufolge soll sich auch aufgrund des domgrafischen Wandels die Zahl der Demenzkranken in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln. In Filmen hinterlässt die neue Volkskrankheit schon jetzt ihre Spuren. Letztes Jahr begleitete der deutsche Regisseur David Sieveking in seinem liebevollen Dokumentarfilm Vergiss mein nicht seine demenzkranken Mutter während ihres Alltags. Und dieses Jahr wäre der wunderbar warmherzige Nebraska beinahe sogar zu Oscarehren gekommen. Tatsächlich hat Nebenwege mit Letzterem einiges gemein, fügt aber noch bekannte Pilgerelemente aus Dein Weg hinzu.Nebenwege – Pilgern auf Bayrisch Szene 1

Wer beide Filme kennt, weiß also schon in etwa, was ihn bei der deutschen Variante erwartet. Hier geht es vor allem um das Zwischenmenschliche, um die Frage, wie man mit liebgewonnenen Menschen umgeht, die zunehmend in ihrem eigenen Kopf verloren gehen. Dass Richard und Marie damit anfangs heillos überfordert sind, ist nachvollziehbar und auch glaubwürdig gespielt. Später stiehlt sich Nebenwege – Pilgern auf Bayrisch jedoch etwas aus der Verantwortung: Eine Antwort wird nicht gegeben, man begnügt sich mit leicht verdaulichen Wohlfühlelementen.

Während an der Stelle dem echten Drama aus dem Weg gegangen wird, fügte Regisseur und Drehbuchautor Michael Ammann dieses einfach an anderer Stelle wieder ein. Um die Aufarbeitung der Familienprobleme nicht zu eintönig werden, entwarf Ammann bei seinem Spielfilmdebüt recht tragische Ereignisse und Geheimnisse, die immer unausgesprochen mit auf der Pilgerfahrt sind. Gebraucht hätte es das an der Stelle nicht, da hätte ruhig mehr auf die eigentliche Geschichte hätte vertraut werden dürfen. Da diese Momente aber sparsam eingesetzt werden und nie zum Mittelpunkt aufgebauscht werden, lässt sich darüber hinwegsehen.Nebenwege – Pilgern auf Bayrisch Szene 2

Auch ein bisschen mehr Eigenständigkeit wäre nicht verkehrt gewesen, viele Situationen kommen einem doch recht bekannt vor, die Figuren ebenso – der Film mag zwar Nebenwege – Pilgern auf Bayrisch heißen, doch an der Stelle sind schon reichlich andere zuvor durchgekommen. Doch trotz der Kritikpunkte ist die Tragikomödie ganz schön geworden, mit einigen rührenden Momenten für Freunde des Emotionalen. Weltbewegend ist das nicht, wer aber die leiseren Töne schätzt, der kann hier schon mal seine Wanderschuhe auspacken und den dreien Gesellschaft leisten.

Nebenwege läuft ab 3. Juli im Kino



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Eine demenzkranke Frau geht auf Pilgerreise: Neu sind die Bestandteile nicht, wurden bei Nebenwege – Pilgern auf Bayrisch aber zu einer schönen Tragikomödie kombiniert. An manchen Stellen wurde unnötig auf Tragik gesetzt, insgesamt überwiegen aber die leiseren, rührenden Momente.
6
von 10