(„El cuerpo“ directed by Oriol Paulo, 2012)
Die Flitterwochen sind schon länger vorbei, die große Liebe auch. Wenn Álex Ulloa (Hugo Silva) noch mit Mayka Villaverde (Belén Rueda) zusammen ist, dann aus einem Grund: Die wohl habende Geschäftsfrau ist seine Chefin. Und überaus besitzergreifend. Eine Trennung im Guten ist daher völlig ausgeschlossen, sofern Álex eine Zukunft für sich und seine Geliebte Carla (Aura Garrido) haben möchte. Der einzige Ausweg aus der Misere: Mord.
An und für sich kein großes Problem, als wichtiger Mann in dem Labor ihres Unternehmens hat er Zugriff auf allerlei Gifte, darunter auch eines, das sich nicht nachweisen lässt. Als Mayka tot aufgefunden wird, scheint dann – zumindest aus seiner Sicht – die Welt wieder in Ordnung zu sein. Wäre nicht plötzlich die Leiche verschwunden. Inspektor Jaime Peña (José Coronado) soll nun Lichts ins Dunkel bringen. Hat jemand den Körper gestohlen? Und wenn ja wozu? Oder war Mayka am Ende etwa doch nicht tot gewesen?
Die Aufgabe eines Drehbuchautors ist oft nicht die dankbarste. Als Geschichtenschreiber bist du einer der wichtigsten Männer auf dem Platz, doch den Ruhm für einen guten Film, den heimsen immer Regisseure und Schauspieler ein. Ganz zu schweigen davon, dass du keinen wirklichen Einfluss auf das Ergebnis hast, andere mit deinen Ideen praktisch machen können, was sie wollen. Kein Wunder also, wenn ein Autor irgendwann auch einmal selbst auf dem Regiestuhl Platz nehmen will, so wie Hossein Amini kürzlich bei Die zwei Gesichter des Januars. Und auch Oriol Paulo hatte bereits als Ko-Autor von Julia’s Eyes viele Pluspunkte bei Thrillerfans gesammelt, bevor er hier sein Regiedebüt bei einem Kinofilm gab.
Die Geschichte ist dann auch wie zu erwarten die große Stärke von The Body – Die Leiche. Zwar glänzt der spanische Thriller jetzt nicht unbedingt durch Glaubwürdigkeit, eine größere Portion Suspension of disbelief braucht man hier schon, doch das macht der Film durch seine Originalität wieder wett. Wie bei klassischen Genrevertretern, in denen ein Unschuldiger zu Unrecht eines Verbrechens beschuldigt wird, wissen wir auch bei Álex, dass er mit dem Verschwinden der Leiche nichts zu tun hat, schließlich wird die Geschichte durch seine Augen erzählt. Der Unterschied aber zu vergleichbaren Klassikern à la 39 Stufen: Álex ist sehr wohl ein Verbrecher, schließlich hat er seine Frau umgebracht. Genau das macht Maykas fehlende Leiche ja so verwirrend.
Auch an der Atmosphäre ist nichts auszusetzen. Da ein Großteil des Films in den Räumen der Leichenhalle spielt und noch dazu genretypisch draußen ein kräftiges Gewitter über die Stadt hinwegfegt, ist ein schöner Gruselfaktor Ehrensache, die ausgiebigen, stimmungsvollen Licht- und Schattenspiele tun ihr übriges. Da zudem Álex – und damit auch der Zuschauer – zunehmend an seiner geistigen Gesundheit zweifelt und Paulo geschickt unerklärliche Ereignisse und erklärende Flashbacks einbaut, darf hier fast zwei Stunden lang kräftig mitgerätselt werden, was denn nun wirklich hier vorgeht.
Manko von The Body – Die Leiche ist neben der angesprochenen mangelnden Glaubwürdigkeit das Tempo. Ja, ständig passiert etwas. Und Langeweile kommt ohnehin nicht auf, dafür sorgen genügend Spannungsmomente aus dem Leitfaden für Mystery Thriller. Nur geht die Geschichte zwischendurch nicht mehr richtig voran, verlässt sich zu sehr auf das Schema: Etwas Seltsames passiert, Álex erinnert sich an das dazugehörige Ereignis in der Vergangenheit. Hier hätte noch ein bisschen mehr an der Abwechslung gefeilt werden dürfen, um dem Gefühl der Gleichmäßigkeit entgegenzuwirken. Aber das ist bereits Meckern auf hohem Niveau, denn ein Beweis dafür, dass Paulo nicht nur als Drehbuchautor, sondern auch als Regisseur über Talent verfügt, das ist das clevere Puzzle auf alle Fälle.
The Body – Die Leiche ist seit 10. Juni auf DVD und Blu-ray erhältlich
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