(„Dallas Buyers Club“ directed by Jean-Marc Vallée, 2013)
„Ich bin keine Schwuchtel, Sie blöder Wichser. Ich kenne auch keine verfickten Schwuchteln. Sehen Sie mich an. Was sehen Sie? Das gottverdammte Rodeo, das sehen Sie.“
Die feinste Ausdrucksweise ist das sicher nicht. Aber doch auch irgendwo verständlich, denn der etwas einfach gestrickte, homophobe Ron Woodroof (Matthew McConaughey) hat gerade erfahren, dass er HIV-positiv ist. Und das war Mitte der 80er in Texas unvorstellbar. Die Ankündigung, er habe noch 30 Tage zu leben, wird deswegen auch gleich mal beiseite geschoben, kampflos ergibt sich ein Woodroof nicht. Bei seiner Suche nach wirksamen Medikamenten landet er bei einem zwielichtigen Arzt in Mexiko, der ihm tatsächlich helfen kann. Problem dabei: Die Mittel sind in den USA nicht zugelassen und entsprechend schwierig zu besorgen. Was den Todkranken auf eine Idee bringt. Warum nicht genau mit diesen Medikamenten handeln? Und schon bald führt er mit der Transsexuellen Rayon (Jared Leto) ein florierendes Geschäft, was jedoch die US-Kontrollbehörde FDA auf den Plan ruft.
Auch wenn der weitere Verlauf der Geschichte etwas absurd erscheint – Woodroof gründet den „Dallas Buyers Club“, um dem Verkaufsverbot aus dem Weg zu gehen – so ist sie doch wahr. Wie im Film macht auch der echte Woodroof aus der Not eine Tugend, verdiente mit dem Verkauf der Medikamente eine Menge Geld und wurde später zu einem Vorkämpfer der AIDS-Kranken. Da ist dann natürlich viel Material dabei, was beim Publikum ankommt: der Kampf David gegen Goliath, das Bloßstellen aufgeblasener, teils korrupter Behörden, dazu eine Hauptfigur, die zu einem besseren Menschen wird und zum Schluss noch ein paar rührselige Momente.
Anders als man es bei dem schweren Thema hätte erwarten können, ergibt sich Dallas Buyers Club jedoch nicht melodramatischer Betroffenheit. Natürlich gibt es immer mal wieder ernste Momente; vor allem die, wenn bei Woodroof die Kräfte schwinden und sich doch seine Krankheit bemerkbar macht, hat der kanadische Regisseur Jean-Marc Vallée effektiv in Szene gesetzt. Ansonsten ist der Film aber oft überraschend komisch. Das betrifft zum einen die trickreichen Versuche Woodroofs, die Regeln der anderen zu umgehen. Zum anderen sind gerade die beiden Hauptfiguren so herrlich überzogen, dass sie für sich genommen schon für Lacher gut sind. Und im Doppelpack umso mehr.
Jared Leto machte in den letzten Jahren vor allem durch seine Rockgruppe Thirty Seconds to Mars von sich reden. Ihn für die Rolle von Rayon zu besetzen, dürfte da für manchen überraschend gekommen sein. Doch die Entscheidung war sicher richtig, Wenn er mit High-Heels, knappen Röcken und tief ausgeschnittenen Blusen durch die Gegend dackelt, zickt und säuselt, ist es so, als hätte er nie etwas anderes getan. Für sein weibliches Fanpublikum könnte der Anblick schwer zu verkraften sein, aber er macht als aufgetakelte, überbordende Transsexuelle eine so gute Figur, dass er vermutlich in jedem anderen Film die Kamera an sich gerissen hätte.
Wäre da nicht Matthew McConaughey, der so oft als Schönling verspottete Schauspieler, der in den letzten zwei, drei Jahren eines der beeindruckendsten Comebacks Hollywoods feiern durfte, mit viel Mut zur Hässlichkeit und einer enormen Wandlungsfähigkeit in den unterschiedlichsten Film- und Fernsehproduktion auftrat (Bernie, Magic Mike, The Paperboy, Mud, True Detective). Und auch wenn der Hype zwischenzeitlich vielleicht ein bisschen viel wurde, liefert er hier dennoch eine seiner größten Leistungen seiner Karriere ab. Bis zur Unkenntlichkeit heruntergehungert tritt er sein ehemaliges Image mit Füßen, gerade zu Beginn, vor seiner Wandlung zum mitfühlenden Mitmenschen. Wenn er und auch Leto dieses Jahr mit einem Oscar belohnt wurden, unverdient ist das nicht.
Im Gegensatz dazu fällt die Dritte im Bunde, Jennifer Garner, deutlich ab. Das liegt jedoch weniger an ihrer Darstellungskunst als vielmehr an ihrer undankbaren Rolle. Als nüchterne wenn auch verständnisvolle Ärztin Eve Saks sind ihr kaum große Auftritte vergönnt. Gerade weil Woodroof und auch Rayon schon sehr nahe an der Karikaturgrenze angelegt sind, kann eine „normale“ Person da nur im Schatten stehen. Doch auch wenn die Figuren eher unterhaltsam als spannend sind – Woodroofs Gegenspieler bleiben ebenso schablonenhaft –, sehenswert ist Dallas Buyers Club unbedingt. Und das nicht nur als Demonstration großer Schauspielkunst, sondern auch als Zeitdokument. Was Jean-Marc Vallée sehr schön gelang, ist es zu zeigen, was es hieß, damals Mitte der 80er mit AIDS in Berührung zu kommen. Irgendwo zwischen einfacher Unkenntnis und Paranoia bedeutete die „Schwulenseuche“ das gesellschaftliche Aus, eine Krankheit, mit der niemand etwas zu tun haben wollte. Und von der viele nicht einmal wussten, was sie überhaupt bedeutete.
Dallas Buyers Club erscheint am 22. Juli auf DVD und Blu-ray
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