(„Meine Schwestern“ directed by Lars Kraume, 2013)
„Der Tod machte mir keine Angst. Wir waren alte Bekannte. Während ich mich mein Leben lang auf ihn vorbereitet hatte, versuchten alle anderen ihn zu verdrängen.“
Drei Monate hatten die Ärzte ihr damals nur gegeben, dreißig Jahre sind es am Ende geworden: Schon seit ihrer Geburt leidet Linda (Jördis Triebel) an einem schweren Herzfehler, mal wieder soll eine Operation ihre Lebenserwartung noch ein bisschen in die Länge ziehen. Doch diesmal spürt sie, dass es die letzte sein wird und will deshalb noch etwas Zeit mit ihren beiden Schwestern Clara (Lisa Hagmeister) und Katharina (Nina Kunzendorf) verbringen. Zusammen fahren sie zunächst zu einer alten Ferienwohnung an der Nordsee, später sogar nach Paris, um eine Tante zu besuchen. Genug Gelegenheit, um Spaß zu haben, alte Erinnerungen aufleben zu lassen, aber auch verdrängte Konflikte auf den Tisch zu bringen.
Auf eine Rettung in letzter Sekunde ist hier nicht zu hoffen, der Film beginnt damit, wie Linda auf einer Liege in die Leichenhalle gefahren, vorbei an Papiercontainern und Kisten, den langen, grauen Gang entlang. Ohne Worte, ohne große Sentimentalität. Auch sonst verzichtet Meine Schwestern auf Kitsch, schwerwiegende Symbole oder eine große Dramatik. In einem Rückblick werden die letzten Tage der Schwerkranken erzählt und ihrem Versuch, sich von ihren beiden Schwestern zu verabschieden, ohne dass sie etwas davon merken. Regisseur Lars Kraume verzichtet darauf, auf die Tränendrüse drücken zu wollen, sondern erzählt seine Geschichte in unaufgeregten Episoden und mal witzigen, mal traurigen Szenen.
Bemerkenswert ist aber nicht nur die zurückhaltende Herangehensweise an ein schweres Thema, sondern dass die Krankheit gar nicht mal im Mittelpunkt steht. Oder auch die Betroffene selbst. Vielmehr lotet Meine Schwestern aus, was es eigentlich heißt, mit jemandem zusammenzuleben, der jeden Moment tot umfallen kann und damit – ungewollt und sogar unbewusst – zum Gravitationszentrum der Familie wird. Katharina, die älteste der drei Schwestern, wurde dadurch zu einem verbitterten Kontrollfreak, das Nesthäkchen Clara zu einem unselbständigen Hauch von Nichts, das so gar nichts auf die Reihe bekommen kann und will. Über Linda erfahren wir hingegen wenig, vielleicht sogar zu wenig, sie bleibt bis zum Ende das verbindende Mittel der beiden ungleichen Schwestern.
Doch auch wenn die Figuren sicher noch etwas tiefer herausgearbeitet hätten werden können, schaut man den drei Schwestern gerne zu. Wer selbst mit Geschwistern aufgewachsen ist, wird sich – auch dank der guten Leistungen der Hauptdarstellerinnen – gut hineinversetzen können, wenn sich die drei mal anzicken, dann wieder in den Arm nehmen und letztendlich einfach selbst nicht so genau wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Antworten auf existenzielle Fragen oder allgemeingültige Lebensweisheiten gibt es hier deshalb auch keine. Bis auf die vielleicht, sich und anderen nicht unnötig mit Sorgen oder Vorgaben alles schwer zu machen, sondern das Leben zu genießen. Und da spielt es keine Rolle, ob man gesund oder krank ist, in einem kleinen Ferienort oder in Paris, allein oder mit anderen.
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