(„Only Lovers Left Alive“ directed by Jim Jarmusch, 2013)
Bis dass der Tod sie scheidet? Dass klappt bei schon bei normalen Paaren kaum mehr. Und normal, das sind Adam (Tom Hiddleston) und Eve (Tilda Swinton) mit Sicherheit nicht. Dreimal haben die beiden geheiratet, das letzte Mal vor über hundert Jahren. Und doch scheint die Liebe zwischen den beiden Vampiren keine Grenzen zu kennen. Was macht es da also schon aus, dass sie auf zwei verschiedenen Kontinenten leben. Adam hat sich in ein kleines Haus bei Detroit zurückgezogen und genießt die Abgeschiedenheit. Nur sein Assistent Ian (Anton Yelchin) darf in seine Nähe, besorgt ihm für viel Geld seltene Musikinstrumente und andere nicht ganz alltägliche Gegenstände.
Eve hingegen hat es in die marokkanische Stadt Tanger verschlagen, wo sie nachts umherstreift oder mit ihrem Freund Christopher Marlowe (John Hurt) über die gute alte Zeit spricht. Während sie es sich in der Gegenwart aber doch recht gemütlich gemacht hat, verfällt Adam immer mehr in Schwermut, angewidert von den begrenzten Menschen, die er abfällig nur als „Zombies“ bezeichnet. Als ihr klar wird, wie schlecht es um die Gemütsverfassung ihres Partners steht, packt sie ihre Koffer und nimmt den nächsten Nachtflug in Richtung USA. Doch das gemeinsame Glück währt nicht lang, bald schon taucht ihre jüngere Schwester Ava (Mia Wasikowska) auf und bringt das (Un-)Leben der beiden komplett durcheinander.
Ein Vampirpaar, das durch den Besuch der kleinen Schwester ins Chaos gestoßen wird, das hatten wir kürzlich auch in Kiss of the Damned. Insgesamt haben beide Filme so einiges gemeinsam, zumindest wenn es um das Setting geht. In beiden Fällen gilt: Die Vampire sind längst in der Moderne angekommen. Düstere Schlösser und Särge als Schlafraum sind passé, auf Menschenjagd geht hier schon lange keiner mehr. Stattdessen besorgen sich die wohlhabenden Untoten den Lebenssaft einfach bei den Blutvorräten von Krankenhäusern.
War schon Cassavetes’ Genrebeitrag eher ruhiger Natur, geht Regielegende Jim Jarmusch jedoch noch einen Schritt weiter. Erotik gibt es hier kaum mehr, bis auf ein bisschen nackte Haut gibt sich Only Lovers Left Alive sehr züchtig. Und auch der Horrorteil wurde noch einmal stark reduziert. „Das ist so 15. Jahrhundert“ heißt es, wenn doch einmal ein Mensch einem Vampir zum Opfer fällt. Und selbst in solchen Fällen verzichtet Jarmusch darauf, den tatsächlichen Moment der Gewalt zu zeigen; wenn hier Blut vergossen wird, dann nur aus einer Thermoskanne. Dass Adam und Eve Vampire sind, ist bei dem Film fast irrelevant, dient mehr dazu, aus den beiden Außenseiter zu machen, die von außen dem kurzsichtigen, rücksichtslosen Treiben der Menschen zuschauen.
Keine Gewalt, kein Sex, dafür eine Jahrhunderte währende Liebesgeschichte – da könnte schnell die Befürchtung aufkommen, dass hier à la Twilight eine schmachtende, jüngere, weibliche Zielgruppe angesprochen werden soll. Doch in dem Fall hätte man nicht die Rechnung mit der gewohnt eigensinnigen Independentikone Jarmusch gemacht. Zwar wählte er für die Besetzung der männlichen Hauptrolle den überaus fotogenen Tom Hiddleston (bekannt als Loki aus Thor und Marvel’s The Avengers) und lässt ihn sogar des Öfteren mit freiem Oberkörper herumspazieren. Doch so ganz zum Pin-up-Boy reicht es nicht, dafür besteht ein zu großer Teil seiner Dialoge aus abfälligen Bemerkungen gegenüber den Menschen. Und das ist nicht unbedingt das geeignete Mittel, um Sympathiepunkte zu sammeln.
Und doch besteht der Spaß bei Only Lovers Left Alive genau darin, ihm dabei zuzuschauen, wie er als genialer Künstler mit lakonischem Witz durch die Welt wandelt, einerseits die Menschen inspirieren will, gleichzeitig aber auch Ekel vor einem engeren Kontakt empfindet. Dabei ist sein Humor trocken, zurückhaltend, so wie der gesamte Film sein Heil in der Ruhe sucht. Um Gags im eigentlichen Sinn geht es hier also nicht, es wird eher geschmunzelt als lauthals gelacht. Sein Gegenüber Tilda Swinton ist nicht minder brillant besetzt, zusammen ergeben sie ein außergewöhnliches Paar, gleichzeitig witzig, extrem kulturbeflissen und bedrohlich.
Ebenfalls ganz weit oben auf der Plusseite ist die audiovisuelle Umsetzung. Musik spielte schon immer eine große Rolle in den Filmen von Jarmusch, bei Only Lovers Left Alive vertraute er auf viel stimmungsvollen Garage Rock, der natürlich nicht ganz zu dem etwas versnobten Vampirpärchen aus einer früheren Zeit passt, aber genau aus diesem Kontrast seinen Reiz zieht. Wäre da nicht der Hang zum Blut und die Abneigung der Sonne gegenüber, Adam wäre wunderbar als gealterter Rockstar durchgegangen. Dazu gibt es wundervolle Nachtaufnahmen von Detroit und Tanger und zahlreiche Anspielungen auf die Musik- und Kunstgeschichte.
Wenn das poetisch-melancholische Vampirdrama ein Problem hat, dann ist es der Verzicht auf eine richtige Handlung. Anfangs ist man berauscht von den Bildern und der Musik, begeistert von den verschrobenen Figuren und den wundervollen Schauspielern dahinter. Doch Only Lovers Left Alive ist eben nicht gerade kurz, zwei Stunden wollen hier gefüllt werden. Und das soll hier vor allem mit Stimmungen geschehen, Ereignisse gibt es kaum. Brillant nennen die einen das Ergebnis, langweilig die anderen. Tatsächlich schleichen sich nach und nach leichte Ermüdungsanzeichen in das Kunstwerk, ganz einfach ist es nicht, bis zum Schluss die Konzentration aufrecht zu erhalten. Besser ist es daher, das neueste Werk von Jarmusch weniger als eine Geschichte zu begreifen, Only Lovers Left Alive will nicht erzählt, sondern erlebt werden. Wer sich darauf einlassen kann, darf sich in dem düsteren Film treiben lassen, bis der Morgen anbricht. Oder eben auch nicht.
Only Lovers Left Alive ist seit 27. Juni auf DVD und Blu-ray erhältlich
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