(„Sherlock – Season 3“ directed by Jeremy Lovering, Colm McCarthy and Nick Hurran, 2014)
Wie würdest du reagieren, wenn dein tot geglaubter, bester Freund auf einmal vor dir steht? Erleichtert? Fassungslos? Wütend? Wohl von allem ein bisschen. Zumindest Dr. Watson (Martin Freeman) geht es so, als Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) zwei Jahre nach dessen Selbstmord wieder auftaucht. Warum hat er seinen Freund so lange im Glauben lassen, er sei tot? Und wie hat er es überhaupt geschafft, den Sprung vom Dach zu überleben?
Wer Staffel 2 der gefeierten englischen Serie Sherlock gesehen hat, wusste bereits, dass der Meisterdetektiv trotz gegenteiligen Anscheins am Ende quicklebendig war. Dass es nach so einer Aktion, ganz zu schweigen von der langen Sendepause, eine Menge Gesprächsbedarf zwischen den beiden geben würde, war daher klar. Und doch überrascht, wie viel Zeit der Vergangenheitsbewältigung geschenkt wurde, und wie wenig der Gegenwart. Dadurch erinnern die neuen drei Folgen auch stark an Staffel eins. Im Klartext heißt das: Hier geht es vor allem um die skurrilen Charaktere und ihre Interaktionen, ein bisschen Fälle lösen kommt hinterher.
Das betrifft vor allem die erste Folge Der leere Sarg. Zwar steht ein großer terroristischer Anschlag kurz bevor, weswegen Mycroft Holmes (Mark Gatiss) seinen Bruder auch wieder zurück nach London ruft. Doch die Suche nach den Tätern läuft eher beiläufig ab, das wahre Augenmerk gilt dem Zwischenmenschlichen. Denn da gibt es nicht nur um die üblichen Kabbeleien des Duos, Watson war in der Zwischenzeit nicht untätig und ist mittlerweile mit Mary Morstan (Amanda Abbington) liiert, was natürlich das bisherige Gefüge mächtig durcheinander bringt.
Daran schließt Im Zeichen der Drei nahtlos an. Hier wird nicht einmal so getan, als ginge es noch um das Lösen eines Falles. Vielmehr steht hier Johns großer Tag bevor, als er und Mary sich das Jawort geben. Sherlock als bester Freund und Trauzeuge hat die große Aufgabe, eine Rede zu halten – was der auf seine unnachahmliche Weise auch tut. Ein bisschen was bekommen aber auch Hobbykriminologen geboten, denn während dieser Rede erzählt der Detektiv von bisherigen Fällen, unter anderem von dem mysteriösen Tod des Soldaten Bainbridge (Alfie Enoch) und wie Krankenschwester Tessa (Alice Lowe) offensichtlich ein Date mit einem Verstorben hatte. Nach dessen Tod wohlgemerkt.
Gut unterhalten wird man während dieser ersten beiden Folgen sicherlich: Cumberbatch und Freeman sind wie immer in Höchstform, an einigen Stellen kommen quasi im Sekundentakt neue gelungene Gags. Doch das ist auch ein wenig das Problem der dritten Staffel, bei der üblichen Mischung aus Humor und Krimi stimmt die Balance nicht mehr. An die direkten Vorgänger, die bisherigen Höhepunkte der Serie, kommt Sherlock nicht ran. Und auch die erste Staffel hat zu dem Zeitpunkt deutlich die Nase vorn. Erst in der letzten Folge, Sein letzter Schwur, machen die Serienschöpfer Steven Moffat und Gatiss wieder Boden gut. Diesmal ist Medienmogul Charles Augustus Magnussen (Lars Mikkelsen) die Quelle allen Übels, denn der kennt so ziemlich jedes Geheimnis der englischen Elite – und damit viele gefährliche Druckmittel. Nicht nur, dass hier der einzige echte Fall auf das Ermittlerduo wartet, einige lose Fäden der ersten beiden Folgen werden zusammengeführt und dabei inhaltlich noch viele schöne Haken geschlagen.
Davon hätte es auf die drei Folgen verteilt insgesamt ruhig mehr geben dürfen. Dass Staffel drei die bislang schwächste ist, liegt aber auch an dem Fehlen eines großen Gegenspielers. James Moriarty (Andrew Scott) wird schmerzlich vermisst, auch Irene Adler (Lara Pulver) fehlt dieses Mal. Lars Mikkelsen – bekannt aus Kommissarin Lund und Bruder von Mads Mikkelsen – macht seine Sache als abstoßender Erpresser gut, kommt aber zu spät und bleibt auch ohne das Charisma seines großen Vorgängers.
Was man dort verpasste, versuchte man dafür auf der Seite der Helden. Der wichtigste Neuzugang ist sicherlich Mary Morstan, die mit ihrem scharfen Verstand und Witz durchaus interessante Bewegung ins Spiel bringt, auch wenn ihre Rolle vielleicht ein bisschen groß ausgefallen ist. Inspektor Lestrade (Rupert Graves) und Mrs. Hudson (Una Stubbs) kommen hingegen etwas kurz, zumal sie bei der Bildschirmpräsenz auch noch mit dem Polizisten Philip Anderson (Jonathan Aris), Marys Freundin Janine (Yasmine Akram), dem brillanten Drogenabhängigen Bill Wiggins (Tom Brooke) und sogar Sherlocks Eltern (Wanda Ventham, Timothy Carlton) teilen müssen, die alle eine größere Rolle spielen. Etwas mehr Bescheidenheit bei den Charakteren wäre da nicht schlecht gewesen, viele kommen bei dem Figurenüberfluss einfach zu kurz.
Dafür dürfen sich die Zuschauer wieder über eine Reihe von Anspielungen und Insiderwitzen freuen. Das betrifft diesmal nicht nur die Titel der Folgen oder einzelne Handlungselemente, sondern auch die Besetzung: Amanda Abbington ist auch im wahren Leben die Ehefrau von Martin Freeman, Wanda Ventham und Timothy Carlton die tatsächlichen Eltern von Benedict Cumberbatch. Zu mögen gibt es also auch diesmal mehr als genug, was die Wartezeit auf Staffel vier nicht unbedingt erleichtert. Trotzdem wäre zu hoffen, dass sie dort wieder etwas mehr Zeit auf den eigentlichen Kriminalteil verwenden und damit das, wofür Sherlock Holmes ja eigentlich steht.
Sherlock – Staffel 3 ist seit 10. Juni auf DVD und Blu-ray erhältlich
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