(„Matar a un hombre“ directed by Alejandro Fernández Almendras, 2014)
Mit dieser Gegend geht es immer weiter den Bach runter, davon ist Marta (Alejandra Yáñez) überzeugt. Vor allem der Sportplatz ist zu einem gefährlichen Pflaster geworden, seitdem eine Gruppe Krimineller ihn für sich entdeckt hat, schikaniert, bedroht und bestiehlt, wer auch immer den Fehler macht, dort vorbeizukommen. So wie Martas Mann Jorge (Daniel Candia), der auf dem abendlichen Nachhauseweg von der Bande ausgeraubt wird. Als sein Sohn Jorgito (Ariel Mateluna) dessen beute zurückkaufen will und dabei von Anführer Kalule (Daniel Antivilo) lebensgefährlich verletzt wird, kommt der Verbrecher zwar in den Knast. Doch damit fangen die Probleme erst an, denn nach seiner zweieinhalbjährigen Haftstrafe sinnt Kalule auf Rache. Und zwingt damit irgendwann Jorge, selbst tätig zu werden.
Einem Mann wird Unrecht zugefügt und beschließt, mit viel Gewalt und Blutvergießen dieses zu sühnen – das Thrillergenre ist voll von Filmen, die sich dem Rachemotiv verschrieben haben. Doch damit hat To Kill a Man nur das Grundthema gemein. Während bei anderen Vertretern der Revolverheld meist ein muskelbepackter Heroe mit Nerven aus Stahl ist, darf man Jorge wohl kaum als solchen bezeichnen. Klein, untersetzt, durchsetzungsschwach, ängstlich, man hätte sich wohl keine unpassendere Hauptfigur für einen Rachethriller ausdenken können.
Doch genau darin liegt der Reiz des chilenischen Films. Regisseur und Drehbuchautor Alejandro Fernández Almendras will hier kein blutrünstiges Guilty Pleasure schaffen, mit ausgefeilten Actionchoreographien und eisgekühlten Machosprüchen. Stattdessen zeigt er, wie aus einem einfachen, nicht übermäßigen souveränen Menschen durch genug Druck zu Verzweiflungstaten gezwungen werden kann. Ähnlich einem Tier, das in die Ecke gedrängt wird. Entsprechend ruhig ist Almendras’ Film auch geworden, hier geht es weniger um einzelne Ereignisse, sondern um Stimmung. Zwischenzeitlich tut sich nicht viel, muss es aber auch nicht: Die düsteren Bilder, lange Kameraeinstellungen, eine sehr sparsame Musik, mehr braucht es hier nicht, um ein beklemmendes Gefühl zu erzeugen. Das Gefühl, dass sich eine Katastrophe anbahnt.
An anderen Stellen steht sich To Kill a Man mit seinem Minimalismus aber ein wenig selbst im Weg. Parallel zu den Auseinandersetzungen mit dem Schläger Kalule erzählt der Film, wie die Familie von Jorge allmählich auseinanderbricht. Oder besser: Er erzählt es nicht. Die Folgen sehen wir, aber nicht den Weg dorthin. Eher episodenhaft erhält der Zuschauer einen Einblick in deren Leben, ohne Erklärungen, ohne Übergänge. Das macht es manchmal schwierig, einen richtigen Bezug zu den Figuren herzustellen oder sie überhaupt nachvollziehen zu können. Zu der problematischen Distanz gesellt sich später auch noch Verwirrung hinzu, wenn der Film nicht mehr so richtig weiß, was er eigentlich erzählen soll. Wo andere vielleicht mit den Credits begonnen hätten, fährt Almendras unbeirrt fort, lässt dem Höhepunkt noch (zu) viele Szenen folgen, die dem Geschehen nichts mehr hinzuzufügen haben. Trotz der kurzen Laufzeit von gut 80 Minuten ist zum Schluss hin nicht mehr Kalule der Feind, sondern die Langeweile.
To Kill a Man erscheint am 1. August auf DVD und Blu-ray
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