(„Hundraåringen som klev ut genom fönstret och försvann“ directed by Felix Herngren, 2014)
Bingo? Fernsehberieselung? Mittagsschläfchen? Nein, das ist nichts, womit man Allan Karlsson (Robert Gustafsson) wirklich locken könnte. Sein Leben lang ist er durch die Welt gereist, hat wichtige Leute kennengelernt und in die Luft gesprengt, was auch immer ihm unterwegs begegnete. Und all das, um jetzt mit 100 Jahren seinen Geburtstag im Altersheim mit senilen, zahnlosen Mumien verbringen zu müssen. Also entschließt sich der Senior, aus dem Fenster zu türmen und weg zu fahren. Und wie so oft in seinem Leben steckt der rüstige Rentner schon nach ein paar Schritten in einem weiteren Abenteuer, trifft dabei unter anderem auf den rechtsradikalen Schläger Bulten (Simon Säppenen), den früheren Bahnwärter Julius (Iwar Wiklander), Dauerstudent Benny (David Wiberg) und Gunilla (Mia Skäringer) mitsamt ihrer Elefantendame. Doch das meiste Chaos, das verursacht ein gestohlener Koffer mit äußerst wertvollem Inhalt.
Düstere Krimis und noch düstere Dramen – Filme und Romane aus Schweden sind nicht unbedingt für ihre Heiterkeit bekannt. Und dann avancierte ausgerechnet eine Komödie aus dem hohen Norden zu einem weltweiten Bestseller, der allein in Deutschland über zwei Millionen Käufer fand. Was nicht heißen soll, dass Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand harmlos ist. Gleich zu Beginn lässt Autor Jonas Jonasson jemanden in die Luft sprengen, im Buch müssen mehr Leute ins Grad beißen als in so manchem Thriller. Nur geschieht das eben meist versehentlich und in absurd-komischen Situationen.
Regisseur Felix Herngren schaffte es in seiner Verfilmung, diesen Humor größtenteils auf die große Leinwand zu retten. Noch immer sind die Charaktere herrlich skurril, die Ereignisse völlig an den Haaren herbeigezogen, in jeder Szene folgt ein neuer unvorhergesehener Einfall. Doch das ist gleichzeitig auch ein Problem des amüsanten Roadmovies: Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand lebt davon, dass man eben nicht weiß, was passiert, dass die Handlung ständig unerwartete Wege einschlägt. Kenner des Buches werden deshalb bei der Filmfassung sehr viel weniger zu lachen haben, als sie es bei der ersten Lektüre noch tun durften. Und auch der Sprachwitz musste bei der Umsetzung zwangsweise deutlich Federn lassen.
Gelungen ist hingegen die Verzahnung der zwei Erzählebenen: Wie schon im Roman werden auch im Film parallel zwei Geschichten erzählt. Da wären zum einen der Ausbruch und die wahnsinnigen Verstrickungen mit der Verbrecherbande. Gleichzeitig erfahren wir in Rückblenden, wie Allan à la Forrest Gump einige der wichtigsten Herrscher des 20. Jahrhunderts kennenlernte und das Weltgeschehen beeinflusste, ohne es zu wollen oder es auch zu merken. Ganz so kunstvoll wie im Original geschieht das hier zwar nicht, aber die schöne Ausstattung vermittelt recht gut das Gefühl, gemeinsam mit dem sprengwütigen Schweden durch die Zeit zu reisen.
In einem anderen Bereich hat Herngrens Version im Vergleich zur Vorlage sogar Vorzüge. Wie das so ist bei 400-Seiten, die in zwei Stunden gequetscht werden: Es passt nicht alles rein. Die Haupthandlung ist natürlich identisch geblieben, einige Nebenschauplätze und auch Charaktere fielen der Schere zum Opfer. Sonst meist ein Ärgernis kommen die Zwangskürzungen dem Film durchaus zu Gute, denn die Längen, die sich im letzten Drittel des Buches breit machten, konnte damit aus dem Weg gegangen werden. Auch wenn Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand so nie die Höhen der Vorlage erreicht, die Tiefen werden aber ebenfalls vermieden. Wer sich nur für eine der beiden Fassungen entscheiden muss oder will, sollte zwar beim Buch bleiben. Doch für sich genommen ist auch die Verfilmung launig geworden, ein sympathisch-verrücktes und zugleich warmherziges Abenteuer.
Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand ist seit 7. August auf DVD und Blu-ray erhältlich
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