(„Die Frau hinter der Wand“ directed by Grzegorz Muskala, 2013)
Das mit dem auf eigenen Beinen stehen hatte sich Martin (Vincent Redetzki) wirklich anders vorgestellt. Den Platz an der Uni hat er bekommen, dem Jura-Studium steht theoretisch also nichts mehr im Weg. Praktisch hatte er aber nicht damit gerechnet, wie schwierig es sein würde, in Berlin eine Wohnung zu finden. Als er per Zufall das Angebot erhält, Untermieter von Simone (Katharina Heyer) zu werden, zögert er auch nicht lange. Dass die Wohnung eine Bruchbude ist, nimmt er in Kauf. Und auch dass sein Vormieter Robert plötzlich verschwand. Doch je länger er bleibt, umso mysteriöser wird die Geschichte, vor allem Roberts altes Tagebuch ist mit seinen alptraumhaften Zeichnungen kein besonders schönes Willkommensgeschenk.
Ein Student, der in eine Wohnung zieht, dessen Vormieter unter ungeklärten Umständen verschwunden ist – das hatten wir gerade schon in Zimmer 205 gehabt. Anders als dort ist der Fernsehfilm Die Frau hinter der Wand jedoch kein Remake, und mehr Thriller als Horror. Unheimlich ist er dennoch. Gerade zu Beginn demonstriert Regisseur und Ko-Autor Grzegorz Muskala, dass der viel gescholtene deutsche Genrefilm durchaus mit dem anderer Länder mithalten und mit einer schön angespannten Atmosphäre aufwarten kann.
Die Mittel dazu sind einfach, aber effektiv: Beispielsweise spielt nahezu der gesamte Film in Martins schäbiger, enger Wohnung oder in der von Simone. Dadurch stellen sich auch bei hartgesotteneren Zuschauern schnell klaustrophobische Gefühle ein. Hinzu kommen die leicht verfremdete Musik und natürlich die seltsamen Figuren. Während Martin vergleichsweise normal erscheint, lässt sich das von seinem Umfeld nur schwer behaupten. Schon Ludwig (Ronald Nitschke), der ihn durch eine Kelleröffnung anspricht und ihm die Wohnung vermittelt, hinterlässt nicht den vertrauenerweckendsten Eindruck. Künstlerin und Femme fatale Simone neigt zu Stimmungsschwankungen, ihr Partner Sebastian (Florian Panzner) ist ein schmieriger Schläger, eine weitere Nachbarin hat Wahnvorstellungen.
Natürlich ist das übertrieben, ins Groteske verzerrt, so wie der Rest von Die Frau hinter der Wand. Man hat eigentlich nie das Gefühl, es mit realen Personen zu tun zu haben, gerade Florian Panzers Darstellung würde als Karikatur durchgehen. Auch wenn wir hier nie ins Fantastische abgleiten, so wirklich fühlte man sich hier der Realität gegenüber nicht verpflichtet. Nachvollziehbar ist hier nur wenig, man merkt schon deutlich, dass es hier um die Seltsamkeit der Seltsamkeit willen ging. Die Geschichte selbst rückt da eher in den Hintergrund und nicht alles, was während der gut anderthalb Stunden passiert, erfährt zum Ende eine Aufklärung.
Die Frau hinter der Wand ist deshalb auch weniger den Zuschauern zu empfehlen, die den Alptraum im Alltag suchen, dafür hat die Grundstimmung eine zu surreale Färbung. Wer sich aber genau daran erfreut, wem es mehr auf Atmosphäre als auf Geschichte ankommt, sollte sich den deutschen Genrebeitrag einmal genauer anschauen.
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