(„Kakurenbo“ directed by Shuhei Morita, 2005)
Gerade im Animationsbereich sind Kurzfilme ein beliebtes Sprungbrett zu Größerem, kaum ein wichtiger Regisseur, der nicht erste Sporen mit dem Inszenieren von kleinen Geschichten oder einzelnen Folgen einer Serie gesammelt hat. Gerade auf Filmfestivals darf man sich oft auf ein Füllhorn der unterschiedlichsten Techniken und Stile freuen, denn bei den Shorties dürfen sich Filmemacher nach Herzenslust austoben. Nur: Kaufen kann man die kleinen Kunstwerke anschließend fast nie. Was nicht als Teil einer Anthologie konzipiert wurde (z. B. in Manie Manie, Memories oder Genius Party), fristet wenn überhaupt ein kümmerliches YouTube-Dasein. Kakurenbo – Hide and Seek ist einer der wenigen, der es tatsächlich als Einzelwerk in die hiesigen Läden geschafft hat. Und wie Teil 14 unseres fortlaufenden Animationsspecials zeigt, ist das ein richtiger Glücksfall.
„Selbst im belebten Tokyo spielt nachts niemand Verstecken. Wer nachts Verstecken spielt, kann von Teufeln entführt werden.“
Nach diesem Zitat des japanischen Ethnologen Kunio Yanagita geht es erst einmal lange bergab: Rund zwei Minuten folgen wir der Kamera, wie sie immer tiefer hinabsteigt, angefangen von den hell erleuchteten Gipfeln Tokyos bis zu einem verlassen Viertel unterhalb der Millionenstadt. Teufel sollen dort umhergehen, so heißt es, und kleine Kinder entführen. Aus dem Grund ist es auch streng verboten, sich dort rumzutreiben. Aber wie das mit Verboten nun mal so ist, dadurch wird es erst richtig interessant. Und so nehmen immer wieder Kinder am geheimen Otokoyo-Versteckspiel teil, suchen den Nervenkitzel und tragen dabei Fuchsmasken. Nur Hikora ist wenig an Nervenkitzel interessiert, der würde einfach gerne seine Schwester Sorin finden, die in eben jenem Viertel verschwunden sein soll.
Ähnlich wie The District letzte Woche wird auch bei Kakurenbo der Computer zur Hilfe genommen, um eine klassische Animationsart zu imitieren. Und das gelingt dem Film auch recht gut, in Standbildern könnte man ihn leicht für Zeichentrick halten, nur bei Bewegungen sieht man die Wurzeln aus dem Rechner deutlich. Puristen mögen da die Nase rümpfen, doch es ist beeindruckend, was die Neulinge Shuhei Morita (Regie, Drehbuch) und Daisuke Sajiki (Designer) bei ihrer Eigenproduktion aus der elektronischen Ausrüstung herausgekitzelt haben. Die verwinkelte Unterwelt geizt nicht mit Details, die schummerige Beleuchtung und die stimmungsvolle Musik und Geräuschkulisse (Glocken, Wind) tun ihr übriges für eine schön-schaurige Atmosphäre.
Die Geschichte ist bei einer Laufzeit von nicht mal 25 Minuten naturgemäß eher überschaubar, überrascht zum Ende hin aber immerhin mit unerwarteten Wendungen. Vor allem aber ist sie spannend erzählt. Was bei anderen Horrorfilmen der Höhepunkt ist – eine Gruppe von Menschen fällt in Katakomben nach und nach einem Monster zu Opfer – ist hier quasi der alleinige Inhalt. Leerlauf gibt es dadurch praktisch keinen, schon recht früh wird die Spannung angezogen und auch bis zum Schluss durchgehalten. Gerade die verschiedenen Teufel, die nach fünf Minuten Jagd auf die Kinder machen, sind grotesk-bedrohlich und stehen den Monstern „echter“ Filme in nichts nach. Verstärkt wird diese unheimliche Stimmung durch den Kniff, dass sämtliche Kinder immer ihre Fuchsmasken tragen, wir also den gesamten Film über kein menschliches Gesicht zu sehen bekommen.
Dass Kakurenbo – Hide and Seek nach seiner Premiere 2005 auf mehreren Festivals lief und Preise einsammeln durfte, ist also nur als gerecht. Leider haben die Pläne von Morita und Sajiki, anschließend einen Langfilm angehen zu wollen, bis heute keine Früchte getragen. Immerhin befand sich Moritat letzter Kurzfilm in prominenter Gesellschaft: Possessions war Teil der Anthologie Short Peace, an der auch Animealtmeister Katsuhiro Ôtomo beteiligt war, und wurde zudem für einen Oscar nominiert. Bekannter noch ist aber Tokyo Ghoul, eine Animeserie, die auf dem gleichnamigen Manga basiert.
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