(„Kofelgschroa. Frei. Sein. Wollen.“ directed by Barbara Weber, 2014)
Punk? Techno? Rap? Oder vielleicht doch Indierock? Es gibt eine lange Liste von Musikrichtungen, die einen vor allem als Jugendlicher anziehen, Genres mit denen man sich identifiziert, die Ausdruck deines Lebensgefühls sind. Volksmusik, da dürfte sich die meisten einig sein, steht auf dieser Liste eher im Fußnotenabschnitt. Marianne und Michael, Patrick Linder und Konsorten – das sind nicht unbedingt Namen, mit denen man im Freundeskreis groß angeben würde. Wenn eine Band, die Elemente der Volksmusik übernimmt, diese in bayerischer Mundart vorträgt und damit bei einem jugendlichen Publikum auch noch Erfolg hat – über die regionalen Grenzen hinaus – da wird man schon mal hellhörig.
Regisseurin Barbara Weber geht dem Phänomen von Kofelgschroa nach, die in der aktuellen Musiklandschaft eigentlich keinen Erfolg haben dürften und dennoch haben. Vier Jungs aus dem Oberammergau – Matthias Meichelböck (Tenorhorn), Martin von Mücke (Helikontuba), Michael von Mücke (Flügelhorn und Gitarre) und Maxi Pongratz (Akkordeon) – die eigentlich nur so ein bisschen Musik nebenher machten, weiterhin von soliden Berufen wie Gärtner oder Schweißer träumten. Vielleicht auch, bei größeren Ambitionen, studierter Architekt. Zu erwarten war es also nicht, dass sie auf einmal Hallen füllen, in Hamburg Radiointerviews geben und Fans im Publikum ihre Texte auswendig mitsingen.
Doch am größten war die Überraschung bei den Jungs selbst, so zumindest der Grundtenor in Kofelgschroa. Frei. Sein. Wollen. Weber schafft es sehr schön, durch Einzelinterviews und ausgewählte Szenen einen schlüssigen Eindruck der vier zu vermitteln, der sich vor allem auf die Zeit als Band konzentriert. Darüber hinaus erfahren wir nur bruchstückhaft etwas, auch die Vorgeschichte, wie die einzelnen zu der Musik gekommen sind, bleibt im Dunkeln. Dafür sehen wir anhand vieler Beispiele, wie fremd sie dem eigentlichen Musikgeschäft sind, wie wenig sie seine Mechanismen verstehen. „Muss man denn da dauernd drüber reden“, fasst eines der Mitglieder ihr Unbehagen zusammen, wenn sie wieder einmal ein Interview geben müssen. In solchen Situationen weiß man als Zuschauer nicht, wer einem mehr leid tut: Die vier weltfremden Musiker, die keine Ahnung haben, was sie eigentlich zu tun haben. Oder die Journalisten, die mit ihrer üblichen Herangehensweise hier an ihre Grenzen stoßen.
Während Kofelgschroa. Frei. Sein. Wollen. auf der Künstlerseite viel zu erzählen hat, bleibt die Dokumentation auf der Publikumsseite überraschend stumm. Wer sind die Menschen, die zu ihren Konzerten strömen? Was macht die Faszination der Gruppe aus? Gerade weil Kofelgschroa – der Bandname setzt sich aus dem Berg Kofel und dem bayerischen Ausdruck für Geschrei ab – eine so unerwartete Erfolgsgeschichte sind, wäre es schön gewesen, auch darüber etwas zu erfahren. Das wäre vor allem für all die interessant gewesen, die selbst ein wenig hilflos vor diesem Phänomen stehen. Wir werfen zwar regelmäßig bei Konzerten einen Streifblick auf die Menschen da unten vor der Bühne, sehen dass sie so rein gar nichts gemeinsam zu haben scheinen. Aber sie bleiben eben das, die Menschen da unten, anonym und völlig losgelöst von den vier Jungs.
Dennoch ist der Film für Außenstehende und Nichtfans sehenswert, gerade wer gerne mehr über Menschen im Showgeschäft erfährt, die Mechanismen. An manchen Stellen sind diese Auseinandersetzungen und Missverständnisse sogar richtig lustig, für eine Dokumentation wird ungewöhnlich oft gelacht. Anhänger von Kofelgschroa dürfen sowieso ins Kino rennen, sofern sie das Risiko eingehen möchten, ihre Idole danach vielleicht mit etwas anderen Augen zu sehen.
Kofelgschroa. Frei. Sein. Wollen. läuft ab 7. August im Kino
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