(„Na pude aneb Kdo má dneska narozeniny?“ directed by Jiří Barta, 2009)
Nachdem sich in den letzten beiden Ausgaben unseres fortlaufenden Animationsspecials alles um fremde Planeten und große Reisen drehte, lassen wir es in Teil 17 wieder kleiner angehen. Sehr viel kleiner sogar. Doch was die pure Seltsamkeit angeht, da steht Toys in the Attic seinen Kollegen aus Frankreich und Japan nicht wirklich nach.
Alte Koffer, verstaubtes Gerümpel, schäbige Möbel, längst vergessenes Spielzeug aus einer anderen Zeit – nach viel Leben hört sich das nicht an. Doch wer einen unbemerkten Blick auf den Dachboden des kleinen Hauses irgendwo in Tschechien wirft, dem wird ein ganz anderes Bild geboten. Natürlich hält sich die Abwechslung in einem so kleinen Raum in Grenzen, aber so ein bisschen Routine kann ja auch schön sein: Und so zieht die Marionette Sir Handsome jeden Tag aus, um einen Drachen zu besiegen, Plüschbär Teddy und Knetgummimann Laurent fahren mit der Spielzeugeisenbahn durch die Gegend, die mechanische Maus Madame Curie sitzt an Erfindungen und Buttercup backt jeden Tag einen Geburtstagskuchen. Als die hübsche Puppe eines Tages von Goldmann entführt wird, dem finsteren Herrscher über das Ostreich, machen sich die übrigen auf den Weg, um gemeinsam ihre Freundin zu befreien.
Auch wenn sie immer im Schatten ihrer westeuropäischen Kollegen standen, so können doch auch tschechische Animationskünstler auf eine lange und ruhmreiche Geschichte zurückblicken. Vor allem im Stop-Motion-Bereich, manchmal auch in Verbindung mit realen Schauspielern, hat unser östlicher Nachbar eine Reihe großer Namen hervorgebracht, sei es Karel Zeman (Krabat), Jindřich Polák (Luzie, der Schrecken der Straße), Stanislav Látal (Die wundersamen Abenteuer des Robinson Crusoe), Jiří Trnka (Der brave Soldat Schwejk) oder Jan Švankmajer (Alice). Und auch Jiří Barta darf sicher zu der illustren Riege gezählt werden. Bis heute wurde sein erster Spielfilm The Pied Piper von 1986 nicht auf Deutsch veröffentlicht, dafür fand sein zweiter, Toys in the Attic, diese Woche mit einigen Jahren Verspätung seinen Weg hierher.
Und das ist vor allem für alle Liebhaber des Düster-Surrealen ein Grund zur Freude. Anders als in Toy Story, das eine ganz ähnliche Geschichte erzählt, ist der Animationsfilm von 2009 nur teilweise kindgerecht. Die Geschichte ist simpel, die Rollen klar in gut und böse unterteilt, es werden klassische Tugenden wie Freundschaft und Mut betont und wirklich viel Gewalt gibt es hier auch nicht. So weit, so gut. Später jedoch, wenn wir zusammen mit der etwas unbedarften Heldentruppe den Weg Richtung Osten einschlagen, nimmt die Stimmung eine deutlich bedrohlichere Färbung an. Vor allem die Schergen Goldmanns sind der Stoff, aus dem Alpträume gemacht werden: ganze Heere bizarrer Insekte, verfaultes Gemüse, dazu Figuren, die wohl aus den Resten anderen Spielzeugs zusammengesetzt wurden und keine richtigen Formen haben. Ähnlich wie Strings – Fäden des Schicksals sitzt deshalb auch Toys in the Attic ein wenig zwischen den Stühlen, von den kunterbunten Abenteuern von Pixar ist man hier meilenweit entfernt.
Vielleicht sind aber auch gar nicht Kinder die Zielgruppe, und Barta wollte vielmehr an die eigene Kindheit erinnern, die in den Herzen der Erwachsenen vergessen wurde. „Was willst du denn mit dem alten Zeug?“ raunt die Großmutter, als sie zusammen mit der Enkelin auf den Dachboden geht und für einen Moment alles Leben erstarrt. Bei dieser Vermischung von kindlicher Fantasie und trüber Realität schwingt wie bei The LEGO Movie kürzlich immer eine Nostalgie mit, ein wehmütiger Blick auf die Zeit, als wir mit einfachen Figuren unserer Fantasie Tür und Tor öffneten, Geburtstag feierten, große Reisen unternahmen oder böse Drachen besiegten. Dass der tschechische Regisseur dafür besonders auf Stop Motion setzt, hin und wieder mit Zeichentrickelementen erweitert, oder bei Goldmann – der nicht mehr ist als eine Büste – per Pixilation den Mund bewegt, dann fügen sich hier Inhalt wie Optik wunderbar zusammen. Alles wirkt verschroben, altmodisch, aus der Zeit gefallen. Eigentlich dürfte es solche Filme heutzutage gar nicht mehr geben, wo Kissen als Wolken herhalten müssen und aus Bettlaken reißende Flüsse werden. Aber es ist schön, dass das manchen Regisseuren ganz offensichtlich egal ist.
Toys in the Attic – Abenteuer auf dem Dachboden ist seit 26. August auf DVD, Blu-ray und 3D Blu-ray erhältlich
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