(„Når dyrene drømmer“ directed by Jonas Alexander Arnby, 2014)
Ein kleiner Ausschlag, mehr ist es anfangs nicht. Nichts, worüber sich Marie (Sonia Suhl) Sorgen machen sollte, wenn man ihrem Arzt Vertrauen schenken darf. Doch bald kommen andere Symptome hinzu, am Körper der jungen Frau sprießen an ungewöhnlichen Stellen Haare, und auch in ihr selbst scheint sich etwas zu ändern: Immer wieder zeigt sie Neigungen zur Aggressivität. Bald schwant Marie, dass da etwas vor sich geht, dass ihr Vater Far (Lars Mikkelsen) ihr nicht die volle Wahrheit sagt, woran ihre Mutter Mor (Sonja Richter) wirklich leidet. Diese Ahnung soll sich bewahrheiten, denn die phlegmatische Frau im Rollstuhl ist in Wirklichkeit ein Werwolf, und Marie längst dabei, sich ebenfalls in einen zu verwandeln.
Wenn die skandinavische Filmlandschaft für eins bekannt ist, dann für abgründige Thriller und Dramen. Umso erstaunlicher, dass die benachbarten Genres so selten berücksichtigt werden, bis auf weniger Ausnahmen (So finster die Nacht aus Schweden, Thale aus Norwegen) der Horror des Menschlichen nie auf den des Fantastischen ausgedehnt wird. Bei When Animals Dream meldet sich nun auch Dänemark zu Wort und schickt einen Genrevertreter in die hiesigen Kinos – und das ist in dem Fall tatsächlich ein Grund zur Freude.
Schon in den ersten Szenen zeigt Jonas Alexander Arnby, dass sich der hohe Norden auf erstklassig düstere Stimmungen versteht, an dem sich Filmemacher hierzulande so einiges abschauen könnten. Schummeriges, diffuses Licht, eine karge Landschaft, verfremdete Töne – mehr braucht der Regisseur nicht. Noch bevor die Geschichte beginnt, noch bevor wir überhaupt eine Menschenseele zu Gesicht bekommen, wissen wir schon, dass da etwas Unheimliches vor sich geht in dem kleinen Fischerdorf im Norden Dänemarks.
Und diese Atmosphäre wird hier ausgiebig zelebriert, wirklich viel passiert hier in der ersten Hälfte nicht. Stattdessen stehen die Figuren im Vordergrund, ein Porträt der rauen, nicht immer herzlichen Dorfgemeinschaft und natürlich die Schwierigkeiten von Marie, sich in ihr zurechtzufinden. Ganz dem Horrorgenre haben sich Arnby und sein Drehbuchautor Rasmus Birch damit also nicht verschrieben, vielmehr verknüpfen sie eine Schauermär mit menschlichem Drama.
Und warum auch nicht, haben doch zahlreiche Kollegen in der letzten Zeit bewiesen, wie sich beides zu einem sehenswerten Gesamtfilm vereinen lässt. Während wir so vor allem Vampiren zusehen durften, die mit ihrem Schicksal hadern und an der Gesellschaft verzweifeln (Midnight Son, Byzantium), manchmal auch Kannibalen (We Are What We Are) oder Zombies (The Returned), sind diesmal die Werwölfe an der Reihe. Und das ist allein deshalb schon ein willkommener Anblick, da diese althergebrachte Monsterspezies – abgesehen vom spaßigem Game of Werewolves – sich meistens am unteren Ende der Qualitätsskala tummelten.
Während die Parabel um eine Frau, die ihren Platz in der Welt erkämpfen muss, so trotz des sehr zurückgenommenen Tempos durchaus ihren Reiz hat, gibt es bei den Details der Geschichte Abzüge. Schon dass Marie erst im Erwachsenenalter ahnt, was ihre Mutter in Wirklichkeit ist, während alle anderen Dorfbewohner anscheinend Bescheid wissen, ist nicht sonderlich plausibel. Und auch, dass sich die junge Frau in der örtlichen Fischfabrik den anderen erst noch vorstellen muss – in einer Gemeinde, in der es mehr Fische als Menschen gibt – leuchtet nicht wirklich ein. Natürlich ist Glaubwürdigkeit im Fantasy- und Horrorgenre nicht unbedingt das wichtigste aller Kriterien, ein wenig mehr Sorgfalt wäre trotzdem nicht verkehrt gewesen, um hier und an vielen anderen Stellen nicht ganz so viele Löcher in die Logik zu reißen.
Dafür gibt es auf der Darstellerseite nichts zu beanstanden. Die etablierten Schauspieler Lars Mikkelsen und Sonja Richter treten gewohnt souverän auf, gerade Richter ist selbst ohne Dialoge geradezu erschreckend intensiv. Filmtochter und Namensvetterin Sonia Suhl muss sich da trotz mangelnder Erfahrung nicht wirklich dahinter verstecken: Sie spielt Marie mit einer ausgewogenen Mischung aus Schüchternheit und animalischer Wildheit und gibt in ihrem Spielfilmdebüt so eine vielversprechende Visitenkarte für die Zukunft ab.
When Animals Dream läuft ab 21. August im Kino
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