(„A Most Wanted Man“ directed by Anton Corbijn, 2014)
Muslime, die illegal nach Deutschland kommen – da werden Geheimdienste schnell nervös. So auch beim russisch-stämmigen Flüchtling Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin), der eines Tages in Hamburg auftaucht, um sich mit dem britischen Privatbankier Tommy Brue (Willem Dafoe) zu treffen. Recht schnell entbrennt ein Kampf innerhalb der verschiedenen Behörden, wer sich des mutmaßlichen Terroristen bemächtigen darf, vor allem zwischen Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman), dem Leiter einer deutschen Spionageeinheit, und Dieter Mohr (Rainer Bock), dem Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, ist die Rivalität groß. Und auch die USA will in Gestalt von CIA-Agentin Martha Sullivan (Robin Wright) ein Wörtchen mitreden. Lediglich die engagierte Rechtsanwältin Annabel Richter (Rachel McAdams) setzt sich für den von allen Seiten verfolgten ein.
Fast könnte man meinen, da wolle jemand vom NSA-Skandal und dem damit verbundenen Misstrauen den Geheimdiensten gegenüber profitieren, denn hier sind die Verfassungsleute und Agenten die Bösen, nicht die vermeintlichen Fanatiker. Tatsächlich aber basiert A Most Wanted Man auf dem 2008 erschienenen gleichnamigen Roman von John Le Carré, dessen Bücher schon die Vorlage für Der Spion, der aus der Kälte kam oder Dame, König, As, Spion lieferten. Doch wenn ein Name zukünftig mit dem Film hier in Verbindung gebracht wird, dann wird es nicht der des englischen Erfolgsautoren sein, sondern Philip Seymour Hoffman. Denn der liefert hier als mürrischer und verschlossener Agent nicht nur eine gewohnt starke Leistung, es ist auch eine der letzten, bevor er Anfang des Jahres überraschend verstarb.
Bemerkenswert ist die Besetzung aber nicht nur seinetwegen. Neben Hoffman gibt es mit Willem Dafoe und Robin Wright zwei weitere Hollywoodstars, dazu kommt eine ganze Riege bekannter deutscher Schauspieler (Nina Hoss, Rainer Bock, Daniel Brühl, Kostja Ullmann, Herbert Grönemeyer, Vicky Krieps), die sich mit zum Teil recht kleinen Nebenrollen zufriedengeben. Allein dieses Gipfeltreffen internationaler wie nationaler Stars zu sehen, lohnt bereits den Besuch des Films. Störend dabei nur, dass A Most Wanted Man komplett in Englisch gedreht wurde, was bei einem Film, der in Deutschland spielt und dessen Cast hauptsächlich deutsch ist, schon irritiert. Verständlich ist es sicher, wenn man für die Hauptrolle des deutschen Agenten einen weltweit bekannten Darsteller bevorzugte, sonderlich authentisch wirkt der Thriller im Original dadurch jedoch nicht.
Doch um Authentizität ging es hier ohnehin nur wenig. Die blassen Bilder sind stimmungsvoll, keine Frage, und zeigen ein düsteres, dreckiges Hamburg fernab vom Touristenhochglanz oder Reeperbahnromantik. Zusammen mit der Musik und eben den starken Schauspielerleistungen ist die europäische Koproduktion ein Vorbild für dichte Atmosphäre. Bei der Geschichte jedoch gab man sich sichtlich weniger Mühe. Natürlich sind Spionagefilme selten ein Musterbeispiel für Glaubwürdigkeit. Ein Freischein sollte das Genre dann aber doch nicht sein, vieles bei A Most Wanted Man ist wenig plausibel oder durchdacht. Und ein wenig subtiler und differenzierter hätte die Kritik an den Geheimdiensten auch sein dürfen.
Aber selbst wenn man darüber hinwegsehen kann und auch über die insgesamt nicht sonderlich interessanten Figuren, fährt sich der niederländische Regisseur Anton Corbijn (Control, The American) zwischenzeitlich fest und die fesselnden Intrigen und Machtspiele machen leichter Monotonie Platz. Das ist insofern schade, weil der Beginn und auch das Ende stark sind, die Erwartungen also schnell sehr in die Höhe steigen. Die werden jedoch nur zum Teil erfüllt, das erhoffte absolute Highlight ist der Film nicht geworden. Was bleibt ist bei aller Kritik aber ein guter Thriller, an dem nicht nur Genrefans ihren Spaß haben werden.
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