(„Casse-tête chinois“ directed by Cédric Klapisch, 2013)
Auch die größte Liebe kann irgendwann einmal vorbei sein. So wie bei Xavier (Romain Duris) und Wendy (Kelly Reilly). Lange waren die beiden glücklich miteinander, haben zwei großartige Kinder, aber nach zehn Jahren ist die Luft einfach draußen. Als Wendy verkündet, mit den Kindern nach New York zu ziehen, um mit einem neuen Mann zu leben, fällt Xavier dennoch aus allen Wolken. Die Vorstellung, die Kleinen nicht mehr sehen zu können, ist unerträglich. Und so entschließt der Franzose, selbst nach Big Apple überzusiedelen. Zum Glück lebt seine beste Freundin Isabelle (Cécile de France) mit ihrer Partnerin Ju (Sandrine Holt) dort und kann ihrem früheren Mitbewohner Starthilfe geben. Und bald schon steht auch Martine (Audrey Tautou) wieder vor seiner Tür, ihre beiden Kinder im Schlepptau.
Nicht nur im Leben von Xavier und Martine ist viel passiert, kaum etwas erinnert hier noch an L’auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr jener Auslandsstudium-Kult-Komödie, in der die beiden ihren ersten Auftritt hatten. Schon in Teil zwei der Reihe, L’auberge espagnole – Wiedersehen in St. Petersburg zeigte Regisseur und Drehbuchautor Cédric Klapisch, dass er kein Interesse an der Wiederholung seines Erfolgskonzeptes hatte. Die Culture-Clash-Momente und das augenzwinkernde Spiel mit Klischees waren in der Fortsetzung stark eingeschränkt, stattdessen rückten die Liebesprobleme der Protagonisten in den Vordergrund, der Ton wurde deutlich ernster. In Beziehungsweise New York geht er diesen eingeschlagenen Weg bewusst weiter. An einigen Stellen spielt er noch mit kulturellen Unterschieden, wenn der Franzose auf die Amerikaner trifft. Doch deutlich wichtiger ist ihm zu zeigen, welch sonderbare Wege so ein Leben manchmal nehmen kann – egal, ob nun in den USA, Europa oder sonst wo.
Fans der ersten Stunde mögen darüber enttäuscht sein, dass sie endgültig von der Chaos-WG Abschied nehmen müssen, viele Charaktere nicht einmal mehr auftauchen. Doch dem Film selbst hat es gut getan, sich von den Vorgaben zu lösen. Krankte Wiedersehen in St. Petersburg deutlich daran, dass Klapisch zwei grundverschiedene Filme in einen packen wollte, wirkt Beziehungsweise New York wieder mehr aus einem Guss. Das bedeutet jedoch nicht, dass dem französischen Regisseur sein Faible für Spielereien und absurde Momente abhanden gekommen sind. Auch dieses Mal greift er in die inszenatorische Trickkiste, verwendet Papiercollagen, eine Rahmenerzählung in Gestalt von Xaviers Verleger und zum Schluss baut er eine Szene ein, die nicht zufällig an den ersten Teil erinnert – ein schön nostalgisches Geschenk.
Doch das größte Geschenk ist es, die Charaktere von damals wiederzusehen. So richtig erwachsen sind sie alle nicht geworden. Sicher, man hat ein paar Falten mehr, sie sind Väter und Mütter geworden und beruflich einigermaßen im Leben angekommen. Aber noch immer haben sie die sympathische Eigenschaft, eigentlich gar nicht so genau zu wissen, was sie wollen und wer sie sind. Die Orientierungssuche damals, eingequetscht in die 7er WG in Barcelona, sie hat nie wirklich geendet. So wie Xavier und die anderen damals zur Identifikationsfigur von Austauschstudenten wurden, sind sie es heute eben für die Zuschauer im mittleren Lebensabschnitt, die zusammen mit ihnen älter, aber nicht unbedingt weiser geworden sind.
Dass Beziehungsweise New York dabei wie seine Vorgänger auch keine richtige Geschichte zu erzählen hat, sondern eher auf Episoden setzt, muss kein Manko sein. Im Gegenteil. In einer der schönsten Szenen der Liebestragikomödie denkt der notorisch selbstreflektierende Xavier darüber nach, dass ein Leben nicht nur aus den großen, besonderen Momenten bestehen kann, sondern auch Platz für die kleinen, unwichtigen sein muss. Mit seinen Kindern durch die Stadt laufen, eine Straße überqueren. Ja, das Leben kann chaotisch sein, verrückt, banal und verwirrend, zum Beispiel wenn man als Franzose eine Chinesin heiraten muss, um Amerikaner zu werden und so die Kinder wiedersehen zu können, die man mit einer Engländerin hat, die man aus seiner Zeit in Spanien kennt. Aber vielleicht ist genau das auch das Schöne am Leben.
Beziehungsweise New York ist seit 1. September auf DVD und Blu-ray erhältlich
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